Der Porsche Cayenne S (2019) im Test
Der schräge Bruder des Porsche Cayenne: Das Cayenne Coupé ist unpraktischer, wiegt mehr und fährt, wie nur ein Porsche-SUV fährt. Alltagstest im SUV-Coupé.
Die Frage nach der Notwendigkeit eines SUV-Coupés muss man nicht mehr stellen. BMW hat sie schon 2008 mit dem ersten BMW X6 beantwortet, weitere Hersteller folgten, genau wie weitere Segmente. Inzwischen gibt es eine Fülle dieser Kreuzungen aus SUV und (viertürigem) Coupé. Eigentlich erstaunlich, dass Porsche als traditioneller Sportwagenbauer so lange gebraucht hat für das erste SUV mit schrägem Heck. Seit 2019 rollt das Cayenne Coupé auf der Straße. Was der Cayenne mit der abfallenden Dachlinie kann, haben wir im Alltagstest erfahren.
Abmessungen, Kofferraumvolumen, Platzangebot, Karosserie
Weniger Platz auf mehr Länge – so könnte man die Formel für das Porsche Cayenne Coupé zusammenfassen. Mit 4,93 Metern misst es etwas mehr als der Standard-Cayenne mit 4,92 Metern. In der Höhe verliert es zwei Zentimeter. Vor allem die schräg stehende Heckscheibe schränkt das Kofferraumvolumen ein. Zwar sind 625 Liter reichlich, doch der normale Cayenne lädt 772 Liter ein. Bei umgeklappter Rückbank sind es 1.708 Liter. Das Coupe muss sich mit 1.540 Liter beschränken. Mangelerscheinungen kommen damit beim Koffer-Tetris trotzdem nicht auf. Die riesige, selbst bei umgelegten Rückenlehnen kaum ansteigende Grundfläche des Abteils bietet üppigen Platz. Nur wer bis unters Dach laden will, bekommt Schwierigkeiten mit der Heckscheibe.
Auf der Rückbank reicht der Raum auch für große Passagiere. Die Beinfreiheit ist enorm, am Kopf stoßen nur die längsten Insassen an. Der Mitteltunnel stört vor allem durch seine Breite, in der Höhe gibt er sich angenehm dezent. Schön: Das gläserne Panoramadach hilft dem luftigen Raumgefühl und ersetzt serienmäßig das Stahldach des Porsche Cayenne.
Vorne sitzt man ebenfalls großzügig. Trotz der geringfügig flacher stehenden Windschutzscheibe. Es gibt viel Ellenbogen-Freiheit, die hohe Mittelkonsole mit massiven Haltegriffen schränkt jedoch etwas ein. Aber das soll so, weil es sich sportlich anfühlt. Ein paar mehr Ablagen und Fächer wären trotzdem nicht schlecht.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Schön sieht es aus im Cayenne. Porsche verteilt viel Leder im Innenraum, auf Sitzen, Armaturenbrett, an Haltegriffen und in Türverkleidungen. Das wirkt alles sehr edel und im Falle des primär grau bespannten Testwagen-Innenraums eher gemütlich als dynamisch. Alcantara am Himmel und den Säulen gibt immerhin eine leicht sportliche Note.
Auf der Mittelkonsole fehlt inzwischen die Knopfbatterie von einst. Stattdessen bringt Porsche eine hochglänzende Kunststofffläche mit Schaltflächen an. Beim Druck klickt es schön, echte Knöpfe wären haptisch trotzdem deutlich klarer. Und nicht so anfällig für Fingerabdrücke. Solide und robust wirkt das trotzdem alles, und, anders als bei vielen anderen: nicht so kratzempfindlich.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Der Cayenne hatte schon immer einen sportlichen Anspruch. Für ein SUV. Für das Cayenne Coupé gilt das umso mehr. Und tatsächlich, für so eine Blechburg lenkt das Porsche Cayenne Coupé erstaunlich zackig ein, wobei die mitlenkende Hinterachse hilft. Die gibt es allerdings nur gegen Aufpreis (2.050 Euro). Die Vorderräder (sie sind wie beim Macan größer als die Hinterräder) folgen ohne Verzögerung dem Lenkeinschlag und beißen sich in die Straße. Der Aufbau neigt sich vor allem im Sport- und im Sport-Plus-Modus kaum zur Seite. Den hohen Schwerpunkt spürt man, aber nur wegen der Fliehkräfte.
Das Fahrwerk federt nicht zu straff und sehr kontrolliert. Im Testwagen steckt die optionale Luftfederung (2.140 Euro). Eine lohnende Investition, denn damit ist man auf der Langstrecke richtig angenehm unterwegs. Man hoppelt nicht über Unebenheiten und Verwerfungen, Kippelei ist dem Porsche Cayenne weitgehend fremd. Der Abrollkomfort geht ebenfalls absolut in Ordnung. Allerdings stecken auch "nur" 20-Zöller mit Winterreifen am Test-Auto. Gut für den Komfort, für die Optik sind sie eher zu klein, weil sich so viel Blech darüber türmt.
Antrieb, Motor, Getriebe
In unserem Cayenne S Coupé steckt ein Sechszylinder mit 2,9 Litern Hubraum, 440 PS (324 kW) und 550 Newtonmetern Drehmoment. Reichlich Kraft für das immerhin 2.125 Kilo schwere Gerät (30 Kilo mehr als beim Standard-Cayenne). Die Fahrleistungen lassen keine Wünsche offen: Auf Tempo 100 geht es in 5,0 Sekunden, Feierabend ist bei 263 km/h.
Der Motor klingt fein, kernig, aber nicht zu aufdringlich. Er entfaltet seine Kraft elastisch und angenehm sportlich. Die Höchstleistung liegt zwischen 5.700 und 6.600 Umdrehungen an, wer regelmäßig weit darunter bleibt, kann ihn jedoch vergleichsweise sparsam fahren. Spärlichen Verkehr vorausgesetzt, lässt sich auf gemütlicher Pendelstrecke sogar eine Neun vor dem Komma herausfahren, im Stadtverkehr werden es gut 13 Liter. Mit maximal 160 km/h auf der Autobahn gut 11 Liter.
Wobei das Gaspedal für unseren Geschmack etwas zu viel Druck beim Anfahren verlangt. Und vor allem, wenn die Start-Stopp-Automatik aktiv war, kommt der Kraftschluss zu verzögert. Davon abgesehen schaltet die serienmäßige Achtgang-Automatik angenehm sanft und unauffällig, in Sport oder Sport+ auch gerne zügig.
Den Allradantrieb legt Porsche sehr hecklastig aus. Anders als bei der Schwester Audi, wo ein anderes System zum Einsatz kommt. Auf Wunsch hängt das Porsche Cayenne Coupé also auch den Hintern raus. Die Vorderräder greifen nur dann verstärkt ein, wenn es wirklich an Traktion fehlt. Verzögert wird knackig mit Wolfram-Carbid-Bremsen, die besonders wenig Bremsstaub verursachen sollen. Apropos verzögern: Da macht sich im Alltagsbetrieb die Motorbremse zu stark bemerkbar und überlagert den Bremsdruck. Harmonisches, ruckfreies Anhalten ohne Kopfnicken wird damit ausgesprochen schwierig.
Infotainment, Radio, Bedienung
Mit der neuen Cayenne-Generation bringt Porsche deutlich mehr Digitales ins Cockpit. Doch eines bleibt analog: der zentrale Drehzahlmesser. Irgendwie schön. Links und rechts davon werden die Infos im Cayenne Coupé jedoch auf Displays angezeigt. Vieles orientiert sich trotzdem sehr nah an den alten analogen Anzeigen. Sieht trotzdem hübsch aus, spart aber nicht an Funktionalität. So lässt sich im rechten Bildschirm etwa die Navi-Karte einblenden – anders als im Porsche 911 auch durch die Lenkradspeichen gut abzulesen.
Die Grafiken sind insgesamt gut gelungen, auch auf dem großen Zentraldisplay. Die Bedienung per Touchscreen funktioniert trotzdem nur bedingt, aber das liegt am Prinzip, nicht am konkreten System. Manche Schaltfläche könnte größer sein, doch alles liegt in guter Reichweite. Der Home-Screen lässt sich nach Wunsch belegen, das Navi ist mit den Verkehrsvorhersagen leider nicht sehr präzise. Manch stockender Verkehr wurde verschwiegen. Und Android Auto hat Porsche übrigens weiterhin nicht im Angebot, nur Apple CarPlay.
Assistenzsysteme und Sicherheit
In unserem Porsche Cayenne Coupé steckt die komplette Batterie an Assistenzsystemen, die Porsche im Angebot hat. Dazu gehört der adaptive Tempomat mit Spurhalter und Nothaltefunktion. Der Porsche Cayenne lenkt also mit, spielt dabei aber Ping-Pong zwischen den Markierungen. Abstand hält das Cayenne Coupé jedoch zuverlässig, es bremst sanft, wo möglich, und beschleunigt zügig, falls nötig.
Das Head-up-Display fällt im Cayenne allerdings leicht verwaschen und unscharf aus. Die Systeme von Mercedes oder BMW sind größer und kontrastreicher. Ein Nachtsichtassistent war ebenfalls verbaut. Wer aufmerksam fährt, braucht ihn nicht, aber im Test erkannte er zuverlässig Fußgänger und warnte rechtzeitig akustisch und optisch vor ihnen.
Ausstattungen, Preise, Kosten: Fazit
Zurück zur Sinnfrage: Das Porsche Cayenne Coupé steht als "S"-Version mit V6-Turbo für 99.657 Euro in der Preisliste. Damit ist es rund 5.500 Euro teurer als der Porsche Cayenne. Bei geringerem praktischem Nutzen. Dazu bietet das Cayenne Coupé sogar leicht schwächere Fahrleistungen als der normale Cayenne mit Sport-Chrono-Paket (0-100 km/h in 5,0 statt 4,9 Sekunden). Das ist allerdings serienmäßig im Coupé, im Cayenne kostet es extra. Letztlich landet der Testwagen mit allen Extras bei gut 150.000 Euro.
Nun ja, Geld darf bei Porsche-Käufern ohnehin nicht knapp sein. Den BMW X6 etwa gibt es als M50i mit 530 PS aus einem 4,4-Liter-V8 für 99.000 Euro. Ein Mercedes GLE kostet als AMG 53 4Matic+ mit ähnlicher Leistung wie das Cayenne Coupé S deutlich weniger (ab 85.500 Euro als SUV). Wobei sich das Porsche-SUV durchaus eine Prise sportlicher fahren lassen dürfte als die Angebote der Konkurrenz. Und wenn es danach geht, findet man übrigens im eigenen Haus eine interessante Alternative: Der Porsche Macan Turbo fährt mit dem gleichen Motor wie der Cayenne S – aber schneller, sprintstärker und für gut 7.700 Euro weniger. Oder man kauft erst gar kein SUV, sondern gleich ein sportliches Auto. Verrückte Idee.
Porsche Cayenne S Coupé: Technische Daten
Modell: | Porsche Cayenne S Coupé |
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Motor: | 2,9-Liter-V6-Turbo-Benziner |
Leistung: | 440 PS (324 kW) b. 5.700-6.600 U/min |
Drehmoment: | 550 Nm b. 1.800-5.500 U/min |
Antrieb: | Achtgang-Automatik (Tiptronic S), Allrad |
0-100 km/h: | 5,0 s |
Geschwindigkeit: | 263 km/h |
Verbrauch: | 9,4 l/100 km |
CO2-Ausstoß: | 216 g/km |
Testverbrauch: | 12,4 l/100 km |
Länge: | 4.931 mm |
Breite: | 1.983 mm |
Höhe: | 1.676 mm |
Radstand: | 2.895 mm |
Gewicht: | 2.125 kg |
Kofferraum: | 625-1.540 l |
Porsche Cayenne S Coupé Preis: | ab 99.657 Euro |
Preis des Testwagens: | 151.291 Euro |