Fahrbericht: Der Mercedes-AMG A 45 S (2019) auf der Rennstrecke
Erste Fahrt in einem Auto, das in Superlativen umrissen wird: Stärkster Kompakter, kräftigster Vierzylinder. Das kann der Mercedes-AMG A 45 S darüber hinaus.
- Neuer Motor für die stärkste A-Klasse von AMG
- Ein Gang mehr als im AMG A 35
- Große Bremse mit klarem Druckpunkt für den AMG A 45 S
- Zwei Kupplungen zur Rettung des Exits
- Subtile Steigerung der Gier zum Gieren
- Dynamic-Paket als Zwischenlösung
- Stark für einen Kompakten. Schwer für einen Sportler
- Technische Daten: Mercedes AMG A 45 S
Du fliegst in eine dieser enge Kurvenkombinationen und weißt: Der Mercedes AMG A 45 S wird Dich am Kurveneingang wieder narren. Wie in den Runden zuvor. Wird beim Einlenken über die Vorderachse rutschen. Nicht kerzengrade in Richtung Kiesbett, nur minimal. Aber genug, damit Du die geplante saubere Linie innerlich abhakst, im Kopf nach außen verschiebst. Nur: Bevor Du den Gedanken finalisierst, zieht die sportlichste A-Klasse nach innen. Bringt dich zum Scheitelpunkt, als wäre nichts gewesen. Und von dort souverän mit leicht drückendem Heck zum Auslenkpunkt, irgendwo am Ende des äußeren Curbs. Vorausgesetzt, die Inputs des Fahrers erfolgen mit Bedacht.
Die Choreographie für enge Kehren wird von kleinen technischen Kniffen beeinflusst, verweist aber auf das große Ganze: Die Top-Version des kleinsten AMG-Modells ist ein Kompaktsportler für die (einigermaßen) Exakten, nicht für die ganz Wilden. Für die mitgelieferten Superlative sind alle Sportfahrer empfänglich: In der getesteten S-Variante ist der AMG A 45 das stärkste Auto des performanten C-Segments. Überbietet mit 421 PS alles von den zweiradgetriebenen Honda Civic Type R und BMW M2 Competition bis zur Allrad-Konkurrenz Ford Focus RS und Audi RS3. Mit dem (laut Hersteller) stärksten, serienmäßigen Vierzylinder-Turbo am Markt.
Neuer Motor für die stärkste A-Klasse von AMG
Das neu konstruierte 2,0-Liter-Aggregat (intern: M 139) ist daneben in einer untergeordneten Variante erhältlich: Im A 45 ohne S leistet der Vierzylinder 387 PS – die 45er-Variante des Vorgängers kam mit geringfügig weniger Leistung. Eine S-Version gab es dort nicht. Beim Sportmodell der aktuellen A-Klasse macht vornehmlich der Ladedruck den Leistungs-Unterschied: 1,9 Bar sind es im 45. 2,1 Bar beim 45 S – beides viel für ein Auto ohne Startnummern an der Seite.
AMG änderte die Position des Laders über die Einbauweise des Motors selbst. Nach 180-Grad-Drehung um die Hochachse sind Turbo und Auspuffkrümmer dem Fahrgastraum näher als dem Kühlergrill. Der gesamte Ansaugtrakt befindet sich vorne. Es ging um kürzere Wege und weniger Umlenkungen in der Luftführung. Und irgendwie auch um Differenzierung: Die Front kann flacher bauen als bei den übrigen A-Klasse-Modellen mit herkömmlich positioniertem Aggregat. Damit auch als jene des Einstiegs-AMG. Vom 306 PS starken Mercedes-AMG A 35 unterscheidet sich ein A 45 im Rückspiegel außerdem durch den Panamericana-Grill mit senkrechten Streben und zusätzlichen Finnen an der Front. Wer einem AMG-Heck nachjagt, differenziert den A 45 am zuverlässigsten an den vier Endrohren. Denn den Dachkanten-Spoiler trägt optional auch der A 35.
Ein Gang mehr als im AMG A 35
Maximalbefehl an das Steuergerät: Beim Herausbeschleunigen auf die nächste kurze Gerade schaltet das serienmäßige Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe erst wenn der Begrenzer im Bereich von 7.100 Umdrehungen einsetzt. Der Vierzylinder ist im oberen Drehzahlbereich zu Hause, ab rund 3.900 Umdrehungen passt der Vortrieb. Laut Datenblatt liegt die Höchstleistung bei 6.750 Umdrehungen an, das maximale Drehmoment von 500 Nm bei 5.000 bis 5.250 Umdrehungen.
Beim nächsten harten Anbremsen schaltet das Getriebe im sportlichsten Fahrmodus bald zurück. Gefühlt könnte das System den nächsten Gang noch früher reinknallen, ein Auto mit serienmäßigem Allradantrieb sollte das nicht überfordern. Bei Bedarf kann der Fahrer über die mitdrehenden Schaltwippen eingreifen. Oder ganz in den manuellen Modus wechseln. Machen wir in einem der nächsten Umläufe. Nach bestem Wissen und Gewissen, doch am Ende moniert der A 45 erhöhte Getriebeöl-Temperatur - beruhigt sich allerdings schnell wieder.
Große Bremse mit klarem Druckpunkt für den AMG A 45 S
Es ist das einzige echte thermische Problem an einem Rennstrecken-Tag mit bis zu 39 Grad Außentemperatur. Na gut, die serienmäßigen Michelin Pilot Sport 4S-Sommerreifen (245/35/19) operieren praktisch permanent außerhalb ihrer Komfortzone. Für hochsommerliche Trackday-Besuche ist man mit dem später nachgereichten Semislick Pirelli P Zero-Trofeo garantiert besser aufgestellt.
Im 45 S verzögert eine Bremsanlage mit 360 Millimeter großen Scheiben und sechs Kolben-Zange an der Vorderachse sowie 330 Millimeter großen hinteren Scheiben. (Der reguläre 45 kommt vorne mit kleineren Scheiben und vier Kolben.) Eine Keramik-Anlage bietet Mercedes nicht. Auf je fünf zügigen Runden kommt die Stahl-Variante gut zurecht. Der Druckpunkt bleibt konstant. Das ABS greift erst spät spürbar ein, regelt dann jedoch unharmonisch.
Zwei Kupplungen zur Rettung des Exits
Das ESP lässt sich vollständig deaktivieren oder in eine Zwischenstufe schicken. Dieser Sport-Handling-Modus ist beim A45 S eine echte Option für abgesperrte Kurse. Weil Mercedes den Regelbereich offenbar enorm weit nach hinten verschiebt. In schnelleren Kurvenfolgen vertraut man dem A 45 S recht schnell. Weil er sich über die vergleichsweise leichtgängige Lenkung präzise positionieren lässt. Außerdem die nötigen Lastwechsel entspannt aufnimmt und selten mit dem Heck ansetzt.
Nach außen rückt die Hinterachse dort, wo es am leichtesten zu kontrollieren ist: Am Ausgang von engeren Kurven. Dann klappt die Justierung des Radius, ohne den rechten Fuß nennenswert zu heben. Das ist gewollt und wird mit einer neuen Lösung am hinteren Differenzial realisiert: Je eine Lamellenkupplung pro Antriebswelle ermöglicht die (weitgehend) stufenlose Verteilung des Drehmoments. Konkreter: Was hinten ankommt, kann bis zu 100 Prozent an ein Rad geleitet werden. Nach ähnlichem Prinzip arbeitet das Allradsystem des Ford Focus RS. Wie dieser erhält der AMG A 45 S einen Drift-Modus. Mit denselben Stärken und Schwächen: Toll für Donuts auf freien Flächen, gewöhnungsbedürftig für „herkömmliche“ 4WD-Drifts.
Subtile Steigerung der Gier zum Gieren
Die Arbeitsweise des Heck-Differentials verändert sich mit den Fahrmodi. Hier bietet der AMG A 45 als S das erwartbare, von Comfort bis Race – jedoch unterlegt mit Dynamik-Eingriffen über die Bremsanlage (interne Bezeichnung: AMG Dynamics). Das System arbeitet ähnlich wie das Stabilitätsprogramm, fokussiert dabei jedoch auf besseres Einlenkverhalten anstelle der Sicherheits-Maximierung. Deaktivierbar ist es nicht.
Daneben soll zusätzliche Stabilität der Vorderachse die Gier zum Gieren steigern. AMG erreicht das mit Streben zwischen den vorderen Federdomen sowie einer Alu-Platte unterhalb des Motors. Das Wissen um die Festigkeit beruhigt, wenn ein hoher Curb mehr Erschütterung bringt als erwartet. Theoretisch lässt sich das adaptive Fahrwerk direkt in einer Strecken-Sektion vom rauen Sport + auf Sport (zahmer) oder Comfort stellen. Weil man dafür nicht in die Untiefen des Menüs abtauchen muss. Über Drehregler und Tasten des dünnen Rauleder-Lenkrades klappen Fahrdynamik-Einstellungen problemlos und schnell.
Dynamic-Paket als Zwischenlösung
Der gefahrene A 45 S kostet mindestens 61.820 Euro. Der reguläre A 45 startet bei 56.227 Euro. Wer die normale Ausführung des Kompaktsportlers näher in Richtung S-Modell rücken will, kann das AMG Dynamic Plus-Paket (3.153 Euro) wählen. Enthalten sind praktisch alle hier besprochenen Features: Adaptives Fahrwerk, große Bremsanlage und die praktischen AMG-Lenkradtasten. Außerdem lernt das hintere Differenzial mit dem teuersten Technik-Paket Drift- und Race-Modus.
Was den A 45 mit Dynamic Plus-Paket dann noch vom A 45 S unterscheidet? Neben 34 PS und 20 Nm fehlen die gelben Nähte im Innenraum. Ansonsten ist der Passagierraum identisch. Die im Testwagen verbauten Schalensitze mit tollem Seitenhalt verrechnet Mercedes-AMG mit 3.890 Euro.
Stark für einen Kompakten. Schwer für einen Sportler
Racern mit gesteigertem Trend-Bewusstsein bieten sich CLA 45 (ab 60.095 Euro) und CLA 45 S (ab 65.688 Euro) als Alternative mit gleicher Technik. Mercedes' viertürige Fließheck-Limo basiert auf der A-Klasse. Geringfügig mehr Platz und das Kombi-Heck erhält man mit CLA 45 Shooting Brake (ab 60.690 Euro) und CLA 45 S Shooting Brake (ab 66.283 Euro) - jeweils mit weitgehend identischen Leistungs- und Ausstattungsoptionen wie in der schnellen A-Klasse.
Der schärfste CLA ist 40 Kilogramm schwerer als der A 45 S, beim Sport-Kombi kommen weitere 45 Kilo dazu. Keine schockierende Steigerungen, doch wir addieren zu einem hohen Basiswert: Der AMG A 45 S wiegt inklusive Fahrer 1.635 Kilo. Er ist eben der stärkste Kompaktsportler auf dem Markt, keineswegs der leichteste.
Technische Daten: Mercedes AMG A 45 S
- Modell: Mercedes-AMG A 45 S auf Basis A-Klasse W177
- Motor: 2.0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner
- Leistung: 421 PS (310 kW) bei 6.750 U/min
- Drehmoment: 500 Nm bei 5.000 bis 5.250 U/min
- Getriebe: 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb
- 0-100 km/h: 3,9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
- Verbrauch laut Hersteller: 8,4 l/100 km
- CO2: 192 g/km
- Abgasnorm: Euro 6 d-Temp
- Abgasreinigungssystem: Otto-Partikelfilter
- Länge: 4.445 mm
- Breite: 1.850 mm
- Höhe: 1.407 mm
- Leergewicht: ab 1.620 kg (inkl. Fahrer)
- Kofferraum: 370-1.210 Liter
- Marktstart: Spätsommer 2019
- Baspreis: 56.227 Euro (A 45); 61.820 Euro (A 45 S)