Der Citroën Berlingo XL im Alltagstest 2019
Der Citroën Berlingo stammt vom Nutzfahrzeug ab. Generation III soll näher an den Pkw rücken. Wie gut das gelang, erfährst Du im Alltagstest mit dem 130-PS-Diesel.
- Kofferraum, Abmessungen, Platzangebot
- Innenraum, Materialien, Verarbeitung
- Infotainment und Bedienung
- Sicherheit und Assistenzsysteme
- Motor, Antrieb, Getriebe
- Fahrwerk, Fahrverhalten, Lenkung
- Preis, Ausstattung, Kosten
- Fazit Citroën Berlingo: Mehr Platz als nötig
- Citroën Berlingo III (2018): Technische Daten, Preis
Familien mögen Hochdachkombis. Citroën mag den Berlingo. Beides kann man gut verstehen. Der kleine Kastenwagen war hierzulande 2018 das zweitmeistverkaufte Auto von Citroën, nur geschlagen vom C3. Und: Citroën lässt damit die baugleichen Modelle von Opel (Combo) und Peugeot (Rifter, ehemals Partner) weit hinter sich.
Das liegt vermutlich nicht am Prestige oder am hübschen Aussehen. Sondern am Platz. Die Fahrzeuggattung stammt aus dem Nutzfahrzeug-Segment, entsprechend fuhren die Modelle sich früher. Inzwischen ist das besser geworden. Citroën verspricht für die inzwischen dritte Generation noch mehr Pkw-Gefühl bei noch mehr Nutzwert. Wir waren zwei Wochen mit dem Berlingo XL unterwegs - so heißt die Version mit langem Radstand und noch mehr Platz.
Kofferraum, Abmessungen, Platzangebot
Der Berlingo misst dann 4,75 Meter in der Länge. Das ist für die Parkplatzsuche in bevölkerten Innenstädten oft zu viel. Vorteil: Man kann sein Fahrrad stets dabei haben und den restlichen Weg bis zur Haustür fahren. Tatsächlich muss man im Berlingo XL nicht mal die Rückbank umlegen, um ein 26er-Rad aufrecht ins Auto schieben zu können. Schon so passen 1.050 Liter ins Heck.
Schnell umgelegt ist die Rückbank auch, das funktioniert in drei Abschnitten, leider entsteht eine leichte Stufe im Ladeboden. Wer die Lehne des Beifahrersitzes nach vorne faltet, kann bis zu 3 Meter lange Gegenstände einladen, das Gesamtvolumen gibt Citroën mit rund 4.000 Litern an. Da passen zur ausrangierten Küche noch große Kartonagen ins Auto.
Auf der Rückbank sitzen Passagier indes recht aufrecht, die Lehnen lassen sich nicht in der Neigung verstellen, verschiebbar ist die Bank auch nicht. Die Polsterung geht in Ordnung, die Beinfreiheit ebenfalls. Die Kopffreiheit ist enorm, die beiden seitlichen Schiebetüren sind total praktisch. Selbst in der Mitte sitzt man gut, da kein Kardantunnel an den Füßen stört. Und: Es lassen sich bis zu drei Kindersitze nebeneinander per Isofix im Auto unterbringen. Das funktioniert nicht in vielen Autos. Optional bietet Citroën den Berlingo zudem mit sieben Sitzen an.
Dazu bringt Citroën viele Fächer unter. In der ziemlich breiten und hoch bauenden Mittelkonsole zum Beispiel wartet ein tiefes Loch darauf, allerlei Kleinkram auf Nimmerwiedersehen zu verschlucken. Das Raumgefühl wird dadurch allerdings etwas eingeschränkt. Für flachere Dinge bietet sich das Fach über den Köpfen von Fahrer und Beifahrer an.
Leider fehlt im Testwagen das sogenannte “Modutop”. Das zieht sich nur im kurzen Berlingo durch den kompletten Innenraum und bietet weiteren Platz für Krimskram. Die Länge XL kommt immer ohne.
Innenraum, Materialien, Verarbeitung
Bei der Materialauswahl merkt man dem Berlingo seine Herkunft aus der “Arbeiterklasse” an. Hartplastik ist das Material der Wahl. Und zwar so ziemlich überall. Armaturenbrett, Türverkleidungen, Mittelkonsole - wo sie hinfassen, treffen die Finger auf den harten Kunststoff. Im Kofferraum erwarten wir das so, allerdings könnte das Material dort gerne robuster sein, es zerkratzt sehr schnell. Die Sitze sind gut gepolstert, nicht zu hart und nicht zu weich, so dass man es auf längeren Strecken gut aushalten kann. Sie bieten sogar genug Seitenhalt.
Die Verarbeitung des Berlingo erschien jedoch nicht überall so robust wie die Materialien. Während der zwei Wochen mit dem Berlingo hörten wir gelegentlich Geräusche aus dem Bereich des Armaturenbretts. Nicht immer die gleichen und nicht wirklich lokalisierbar. Auf Dauer könnte das störend werden.
Infotainment und Bedienung
Beim Infotainment fährt der Citroën Berlingo dafür eindeutig auf Pkw-Standard. Ab der dritten Ausstattung “Feel” verfügt der Berlingo über ein Audio-System mit 8-Zoll-Bildschirm und den gängigen Smartphone-Standards Apple CarPlay, Android Auto und MirrorLink. An Bord des Testwagens ist die Version “Connect Nav” inklusive Navi (600 Euro).
Der Monitor ist üppig dimensioniert, die Bedienung gestaltet sich übersichtlich, wenn man erstmal die Menülogik von Citroën verstanden hat. Fast alle Funktionen werden per Touchscreen gesteuert, einen Drehregler für die Lautstärke gibt es allerdings noch. Über Schaltflächen am Rahmen lassen sich die Grundmenüs direkt ansteuern. Leider sitzt der Monitor recht hoch und weit vorne, gefühlsmäßig muss man sich immer strecken, um ihn zu bedienen. Das Ablagefach hinter dem großen Monitor ist zudem schlecht zugänglich.
Sicherheit und Assistenzsysteme
Bei den Assistenten kehrt wieder die Nutzfahrzeugrealität ein. Wobei: Man findet im Berlingo zwar nicht alles, was man heute in Pkw-Modellen erwartet, doch viel gibt es serienmäßig. Zu den sechs Airbags und einem Berganfahrassistenten packt Citroën das Sicherheitspaket ins Auto. Damit hilft der Berlingo mit einem Lenkimpuls beim Halten der Spur, erkennt Verkehrszeichen und bremst aktiv falls ein Zusammenstoß droht. Vorher warnt er den Fahrer akustisch und optisch. Die Ausstattung “Feel” ergänzt Licht- und Regensensor. Außerdem gibt es dann Frontscheibenwischer mit integrierten Wischerdüsen. Die gefallen uns richtig gut am Testwagen.
Ebenfalls ab Feel gibt es serienmäßig eine Einparkhilfe, unser “Shine”-Modell hat zusätzlich Rückfahrkamera inklusive 180-Grad-Ansicht. Die funktioniert ordentlich, wird im Dunkeln jedoch sehr körnig. Der Parkpiepser an sich schlägt jedoch viel zu oft ohne Anlass Alarm.
Motor, Antrieb, Getriebe
Als Alternative zu einem 1,2-Liter-Benziner mit drei Zylindern und 110 oder 131 PS baut Citroën einen 1,5-Liter-Diesel in den Berlingo. Wir fuhren die stärkere Version mit 130 statt 102 PS und 250 Newtonmetern Drehmoment. Damit ist der Franzose leer ordentlich motorisiert, bei voller Beladung wird es jedoch zuweilen recht zäh. Dann muss man öfter zum Schalthebel greifen.
Das Getriebe ist lang übersetzt, so dass man in der Stadt meist im vierten Gang unterwegs ist, der fünfte Gang reicht locker bis 80 km/h. Gemächlich bewegt, hält der Motor sich akustisch die meiste Zeit im Hintergrund. Getreten jault er auf, sonst brummt er nur leise.
Der Verbrauch liegt im Testalltag bei 6,4 Litern. Dabei rollt er auf der Autobahn, über Landstraßen und meist gemütlich durch die Stadt. Im dichten Stadtverkehr auf kurzen Strecken landen wir bei knapp 7,5 Litern. Das geht für ein Auto dieser Größe absolut in Ordnung.
Fahrwerk, Fahrverhalten, Lenkung
Der Hebel unseres Handschalters rutscht leider ziemlich lasch durch die Gassen. Die Schaltung ist insgesamt indifferent. Manchmal weiß man nicht genau, in welchem Gang man sich befindet. Die Lenkung gibt wenig Rückmeldung, die Übersetzung fällt nicht allzu direkt aus. Das Fahrwerk wirkt auf holprigem Belag manchmal überfordert. Die Federung spricht etwas träge an und bietet dann wenig Kontrolle. Komfortabel fährt er meistens trotzdem. Nur bei wirklich grobem Pflaster wird es ungemütlich.
Preis, Ausstattung, Kosten
Die Preise für den Berlingo starten bei 19.090 Euro. Dafür bekommt man den 110-PS-Benziner in der Basis-Ausstattung “Start” mit kurzem Radstand. Der Berlingo XL ist 1.250 Euro teurer. Unser Diesel mit manuellem Sechsgang-Getriebe steht mit 25.590 Euro in der Preisliste. Er kommt mindestens in der Ausstattung “Live”, Feel ist 2.000 Euro teurer, die Topausstattung “Shine” kostet 28.590 Euro. Inklusive Anhängerkupplung, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, Komfortpaket und Navi landet der Hochdachkombi bei 31.040 Euro.
Im Vergleich ein guter Preis. Der VW Caddy startet bei rund 20.900 Euro - mit 75-PS-Diesel, 5-Gang-Schaltgetriebe und kurzem Radstand. Wer einen Diesel mit 102 PS möchte, zahlt mindestens 23.000 Euro, schaltet immer noch mit fünf Gängen und bekommt die Basisausstattung Conceptline. Der größere Maxi startet in der Konfiguration bei 25.000 Euro. Der Renault Kangoo, ebenfalls ein beliebter Hochdachkombi, startet bei 18.990 Euro und fährt dann mit 80-PS-Diesel. 115 PS gibt es ab 22.440 Euro in der mittleren Ausstattung Limited.
Fazit Citroën Berlingo: Mehr Platz als nötig
Reichlich Platz, vor allem für viele Kinder und ein Kofferraum, der den kleinen Hausrat genauso wegsteckt wie aufwändige Sportgeräte. Wer drei Isofix-Befestigungen auf der Rückbank braucht bzw. drei Kindersitze nebeneinander unterbringen möchte, kommt an Hochdachkombis kaum vorbei. Der Berlingo erfüllt insoweit alle Anforderungen.
Dynamik werden die wenigsten im Berlingo suchen. Und sie werden auch nicht fündig. Macht nichts. Dass der Innenraum nicht wohnlich wirkt, stört da schon eher ein bisschen. Doch in der Klasse ist das nicht ungewöhnlich. Der Berlingo XL muss es für uns nicht sein. So viel Platz im Kofferraum braucht man fast nie. Das kürzere Auto kommt zudem optional mit dem tollen Modutop. Darauf würden wir ungern verzichten.
Citroën Berlingo III (2018): Technische Daten, Preis
- Modell: Citroën Berlingo BlueHDi 130 XL
- Motor: 1,5-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel
- Leistung: 131 PS (96 kW) bei 3.750 U/min
- Drehmoment: 250 Nm bei 1.750 U/min
- Antrieb: Sechsgang-Handschaltung, Frontantrieb
- Höchstgeschwindigkeit: 186 km/h
- Beschleunigung 0 – 100 km/h: 11,6 s
- Verbrauch: 4,4-4,5 l/100 km
- CO2-Ausstoß: 117-118 g/km
- Testverbrauch: 6,4 l/100 km
- Länge: 4.753 mm
- Breite: 1.848 mm
- Höhe: 1.849 mm
- Radstand: 2.975 mm
- Leergewicht laut EU-Norm: 1.581 kg
- Zuladung: 634 kg
- Anhängelast: 1.450 kg
- Kofferraumvolumen: 1.050-ca. 4.000 l
- Basispreis Citroën Berlingo: 19.090 Euro
- Basispreis Testwagen: 28.590 Euro
- Preis Testwagen: 31.040 Euro