Man erzählt sich in der Autobranche eine Geschichte über die Einführung des ersten 1er. Vorab soll BMW Blindtests mit verschiedenen Versuchsträgern durchgeführt haben. Außen waren sie identisch, die angetriebene Achse variierte. Über das Ergebnis seien die Fahrdynamiker hocherfreut gewesen, die Controller weniger: Fast alle Probanden hatten mehr Spaß in den Autos mit Hinterradantrieb. Also kam der erste Kompakte mit längs eingebautem Motor und dem Antrieb an der Hinterachse auf den Markt. Erst jetzt, in der dritten Generation des kleinsten BMW, feiern die Controller einen späten Sieg. Es geht etwas verloren mit der Umstellung des Antriebs auf die Vorderachse. Der einzige Kompakte mit Quermotor und Hinterradantrieb verliert sein Alleinstellungsmerkmal. Mit dem Modellwechsel 2019 wird der 1er zum Fronttriebler – außer er kommt mit Allrad.
In unserem Testwagen ist das nicht der Fall. Wir fahren den mittleren Diesel 118d mit Automatik in der dezent sportlichen Ausstattungslinie „Modell Sport Line“. Um die brennendste Frage zum technisch größten Einschnitt der 1er-Modellgeschichte zu klären: Ist der F40 ein echter 1er? Gar ein besserer 1er? Du erfährst es im ausführlichen Testbericht.
Mit dem platzsparenden Quermotor kann BMW seinen Kompaktwagen praktikabler aufteilen. Man erkennt Generation drei noch als 1er BMW, vier Millimeter weniger Außenlänge (nunmehr 4,319 Meter) merkt niemand. Die kürzere Haube des Fünftürers durchaus, so weit vorn setzte die A-Säule beim Einser noch nie an. Davon profitieren die Fond-Passagiere. Rund 3,4 Zentimeter mehr Kniefreiheit gibt es laut BMW. In der Praxis sitzen Erwachsene in Reihe zwei überraschend hoch. Dank der flachen Lehnen-Stellung ist genug Platz überm Kopf. Auf dem Mittelplatz raubt ein hoher Mitteltunnel viel Beinfreiheit. So wie bislang im 1er – der optional erhältliche Allradantrieb erzwingt auch beim Frontgetriebenen den Tunnel für die Kardanwelle.
Im Gepäckraum bietet die F40-Baureihe mehr Platz als die Vorgänger. Ins Heck passen 20 Liter mehr Gepäck, 380 sind es nun. Maximal werden 1.200 Liter daraus. Das entspricht der neu aufgelegten A-Klasse von Mercedes, die 10 Zentimeter länger ist. Der kürzere VW Golf kann 380 bis 1.270 Liter einladen. Was beim 1er stören kann, ist die hohe Ladekante. Und die übervorsichtige elektrische Heckklappe (500 Euro Aufpreis): Weicht man nach dem Öffnen nicht rasch und weit genug zurück, stoppt der Mechanismus.
Vorbei ist die Zeit, in der man sich im 1er-BMW nach unten fallen ließ. Im aktuellen Kompakten sitzen Fahrer und Beifahrer relativ hoch. Eine angenehme Sitzposition finden wir dennoch leicht. Die serienmäßigen Sportsitze der Variante „Modell Sport Line“ (erweitert um die Lordosenstütze für 250 Euro) erlauben eine weite Justierung. Man kann die Beinauflage verlängern oder die stark ausgeformten Wangen elektrisch enger stellen, bis die Nieren schmerzen. Außerdem lässt sich die Lenksäule über einen weiten Bereich in Höhe und Tiefe verstellen. In der sportlichsten Ausstattungslinie nach „M-Sport“ befestigt BMW daran das Sportlenkrad mit drei Speichen. Das Steuer liegt gut in großen Handtellern – Käufer mit zierlichen Händen finden im Konfigurator Alternativen.
Haptisch entspricht das Steuer den übrigen belederten Flächen im Innenraum: Es ist glatt und nur minimal unterfüttert. Die einzigen harten Flächen oberhalb des Knies sind die Einlagen in Carbon-Optik. Wer mehr Farbe im Passagierraum will, wählt das perforierte Leder (1.400 Euro Aufpreis) in Magmarot.
Keine Sorge: Der F40 bleibt eines der fahraktivsten Modelle im Kompakt-Segment – trotz der technischen Verwandtschaft zum Van 2er Active Tourer. Aber das Fahren ist anders. Der neue BMW 1er handelt Dynamik gefühlt strebsamer ab als seine Vorgänger. Er reagiert stoischer auf Lastwechsel und bleibt länger neutral. Mit der angetriebenen Achse hat das erst einmal nichts zu tun. Das merkt man gerade abseits des Kick-downs: Aufschaukeln bei konstanter Geschwindigkeit lässt die Mehrlenker-Hinterachse nicht schwimmen, Einbremsen in Kurven das Heck nicht plötzlich wegschnappen. Zumindest auf Ersteres reagierte der Vorgänger F20 bissiger.
Zügiger dürfte der aktuelle 1er sein, der das Untersteuern auch bei beherzter Fahrt über schnelle und enge Landstraßen gut im Griff behält. Viel näher am Grenzbereich werden 118d und andere Brot-und-Butter-1er selten bewegt. Die Käufer wünschen einen gelungenen Mix aus Dynamik und Komfort. Im Testwagen lässt sich dieser Fokus über die adaptiven Dämpfer (500 Euro Aufpreis) beeinflussen. Relativ straff arbeiten diese aber auch im sanfteren Modus.
Wenig Spreizung liefern die Fahrprogramme beim Lenken. Der Einser steuert immer direkt und exakt. Mehr Rückmeldung wäre wünschenswert. Außerdem dürfte in manchen Situationen das Ansprechverhalten um die Mittellage gern weniger scharf sein. Auf langen Autobahnfahrten, zum Beispiel. Davon abgesehen legt man lange Strecken im gut gedämmten 118d entspannt zurück.
Quermotor und Frontantrieb, damit verliert der BMW 1er in der dritten Generation ein Alleinstellungsmerkmal. Die Vorgänger E87 und F20 waren die einzigen hinterradgetriebenen Kompakten ihrer Zeit. Längsmotor und Kardanwelle dürften vor allem Kunden interessieren, die einen starken 1er wünschen – Käufer eines 118d dürfte die Architektur kaum inspirieren. Die mittlere von drei Dieselvarianten holt 150 PS und ein Drehmoment von 350 Newtonmetern aus 2,0 Litern Hubraum.
Wer effizient fahren will und die elektrifizierten Varianten noch scheut, liegt mit dem Test-Aggregat richtig. Im Stadtverkehr zeigt der Bordcomputer meist weniger als sieben Liter Verbrauch, auf Landstraße und Autobahn steht hier häufig eine Fünf vorn. Mit dem größeren 50-Liter-Tank (ein Plus von acht Litern, 50 Euro Aufpreis) steuert man Tankstellen also selten an. Erfreulich, wenn außerdem der Schub passt. Denn für den Alltag reicht die Leistung des 118d allemal aus. Dieseltypisch liegt die Kraft früh an. Standardmäßig reicht ein Sechsgang-Handschaltgetriebe die Kraft an die Vorderräder. Zur Achtgang-Automatik (2.250 Euro) gibt es zwar serienmäßig Schaltpaddel. Wir greifen jedoch kaum ein, denn die Abstimmung überzeugt auch so. Beim Beschleunigen aus dem Stand lässt das System ein Durchdrehen der Vorderräder zu. Beim Herausbeschleunigen aus Kurven greift die Traktionskontrolle früher ein.
Der Dreh-Drück-Regler für BMW-Mittelkonsolen zählt zu den angenehmsten Bedienelementen im gesamten Automobilmarkt. Das erleichtert die Handhabung aber nur bedingt, da der 10,25 Zoll große Infotainment-Screen ein recht verschachteltes Menü zeigt. Ja, man gewöhnt sich daran. Der Wunsch nach Tasten für bestimmte Funktionen bleibt aber. Zumal BMW im Cockpit insgesamt keine Scheu vor Knöpfen zeigt.
Vitaldaten und Verkehrsinformationen behält man dafür gut im Blick. Der ebenfalls 10,25 Zoll große Digital-Tacho zeigt auf Wunsch die Navi-Karte oder Informationen zur Arbeitsweise der Fahrassistenten. Bald schätzt man außerdem das helle, scharfe und 9,2 Zoll große Head-up-Display.
Unser BMW 118d „Modell Sport Line” verfügt serienmäßig über einen Notbremsassistenten und Parkpiepser hinten. Mit dem Parkassistenten (950 Euro im Paket Parking Assist) fährt der Kompakte selbstständig in die Lücke. Im Test klappt das stets souverän. Der BMW zieht das Manöver relativ schnell durch und hat auch vor engeren Lücken keine Angst, was die Funktion vom Party-Trick zur echten Hilfe befördert. Teil des Paketes sind außerdem eine Rückfahrkamera und der Rückfahr-Assistent. Der 1er kann bis zu 50 Meter weit alleine mit Kriechgeschwindigkeit rückwärts fahren, wenn er dieselbe Streck zuvor vorwärts zurückgelegt hat.
Ab Werk verfügt der neue BMW 1er über einen Spurhalteassistenten. Eine Spurzentrierung fehlt ihm. Das System greift also erst in die Lenkung ein, wenn das Auto die Linie überfährt. Einen Stau-Assistenten ermöglicht die Technik also nicht. Wer viel im Kolonnen-Verkehr steckt, kann einen adaptiven Tempomaten (750 Euro) bestellen. Dann bremsen und beschleunigen Modelle mit Automatik im Stau in Eigenregie.
Der BMW zählt zu den teuersten Modellen der Kompaktklasse. Ab 28.200 Euro kostet der 1er in der Benziner-Basis 118i mit manueller Schaltung. Das sind rund 11.500 Euro mehr als zuletzt beim VW Golf. Die direkte Konkurrenz des kleinsten BMW bewegt sich ebenfalls am oberen Ende der Preisskala: Die Preise der Mercedes A-Klasse (als A160) beginnen bei rund 26.500 Euro. Bei 25.800 Euro startet der Audi A3 Sportback (als 30 TFSI).
Für die nackte Basis entscheidet sich bei diesen Modellen kaum jemand, aber die Tendenz setzt sich durch die Preisliste fort. Beim BMW bietet die Einstiegs-Linie an erwähnenswerten Features lediglich eine Klimaautomatik und den Fahr-Erlebnisschalter. Ab „Advantage“ (ab 29.000 Euro) gibt es Alufelgen, einen Tempomaten und mehr Ablagen. Die getestete „Modell Sport Line“ (ab 32.050 Euro) beinhaltet 17-Zoll-Alus, LED-Scheinwerfer, Sportsitze und Leder-Einrichtung. Sie ist die zahmere Sport-Konfiguration – beim „Modell M-Sport“ (ab 33.450 Euro) ergänzt BMW ein Spoiler-Paket und steckt bis zu 18 Zoll große Felgen in die Radkästen.
Zwischen den wilderen Varianten positionieren die Bayern die „Luxury Line“ (ab 33.050 Euro). Die Sportsitze entfallen hier zugunsten eines komfortableren und serienmäßig beheizbaren Gestühls. Nur das Top-Modell BMW M135i (ab 48.100) kommt ab Werk mit fortgeschrittenem Sportfahrer-Werkzeug vom M-Sportfahrwerk bis zur Differenzialsperre für die Vorderachse.
Davon abgesehen herrscht im Modellprogramm Gleichberechtigung: Jeder Antrieb lässt sich mit jeder Ausstattungsvariante kombinieren. Unser 118d startet als „Modell Sport Line“ bei 36.250 Euro. Neben den genannten Assistenz-Paketen treiben unter anderem das Soundsystem von Harman Kardon (850 Euro), die Sitzverstellung mit Memory-Funktion (950 Euro) und die Matrix-Variante der LED-Scheinwerfer (500 Euro) den Preis nach oben. In Summe kommt das abgebildete Modell auf 52.560 Euro. Viel Geld für einen Kompaktwagen.
Der BMW 1er ist auch in der dritten Generation (F40) ein fahraktiver Vertreter seines Segments. Bezogen auf Karosse und Dynamik bleibt er somit ein würdiger 1er – doch der größte technische Einschnitt in der Modellgeschichte wirkt sich aus. Die Umstellung auf Quermotor und Frontantrieb beschert mehr Platz an den richtigen Stellen, vergrößert allerdings den Unterschied zum Mittelklasse-Modell 3er. Ein gutes Auto bleibt der kleinste BMW, allerdings reduziert um ein gewichtiges Alleinstellungsmerkmal. Und solche könnten helfen, wenn ein Kompaktwagen mit Vernunft-Diesel und moderat sportlicher Ausstattung mehr als 50.000 Euro kosten soll.
Modell | BMW 118d (F40, 2019) |
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Motor | 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel |
Leistung | 150 PS (110 kW) b. 2.500-4.000 U/min |
Drehmoment | 350 Nm b. 1.750-4.000 U/min |
Antrieb | Vorderräder, 8-Gang-Automatik (als Standard-6-Gang manuell) |
0-100 km/h | 8,4 s |
Geschwindigkeit | 216 km/h |
Verbrauch | 4,4-4,1 l/100 km (kombiniert) |
CO2-Ausstoß | 116-108 g/km |
Abgasnorm | Euro 6d-TEMP |
Abgasreinigung | SCR-Katalysator |
Länge | 4.319 mm |
Breite | 1.799 mm |
Höhe | 1.434 mm |
Radstand | 2.670 mm |
Kofferraumvolumen | 380-1.200 l |
Gewicht | 1.505 kg |
Grundpreis BMW 1er | ab 28.800 Euro als 318i |
Grundpreis Test-Aggregat 118d in „Modell Sport Line“ | 36.250 Euro |
Gesamtpreis abgebildetes Testfahrzeug | 52.560 Euro |
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