Handy als Autoschlüssel: Alle Infos
Das Smartphone übernimmt immer häufiger die Funktionen des Autoschlüssels. 2021 ziehen drei weitere Hersteller nach. Doch es gibt Risiken.
Das Ritual der Schlüsselübergabe beim Neuwagenkauf werden sich die Autohändler zwar nicht nehmen lassen. Danach jedoch könnte der Schlüssel mit dem Fahrzeugbrief in der Schublade verschwinden. Die Autoindustrie will den klassischen Autoschlüssel aus dem Autofahrer-Alltag streichen. An seine Stelle tritt das Smartphone. Die Idee stammt aus Japan, 2008 zeigen Nissan und Sharp den ersten Prototypen. Damals ist das Interesse gering: Das erste iPhone war erst 2007 vorgestellt worden, Smartphones waren noch neu. Heute gehören sie zum Alltag. Die Hersteller gehen davon aus, dass die meisten Neuwagenkäufer über ein solches Gerät verfügen.
Handy als Autoschlüssel: Das Wichtigste in Kürze
- Bisher überwiegend Insellösungen
- Umsetzung per NFC, Bluetooth oder Mobilfunk
- Künftiger NFC-Standard seit April 2020 veröffentlicht
- Neue Modelle könnten 2021 auf den Markt kommen
Im Juli 2017 startet die Produktion des Model 3. Seit Anfang 2019 stromert der Kalifornier auch auf europäischen Straßen.
Die Vorteile: Anders als beim physischen Schlüssel können digitale Schlüssel nicht nur an eine Person gleichzeitig vergeben werden. Die Erlaubnis, das Auto zu öffnen, kann der Besitzer an jedes Handy senden. Die Berechtigung kann er dauerhaft oder vorübergehend, für alle Funktionen oder nur für einige erteilen. Das erlaubt beispielsweise Valet-Diensten das Parken des Autos. Autovermieter können das Auto ohne Schlüssel an Kunden übergeben. Die Industrie plant außerdem neue Geschäftsmodelle wie integrierte Smart-Home- und Mobilitätsangebote. Nicht zuletzt benötigt sie dann weniger Autoschlüssel.
Hohe Sicherheitsanforderungen
Dennoch, Akzeptanz beim Kunden muss sich die Technik erst erarbeiten. Mit der Integration des Schlüssels in das Smartphone wächst die Zahl möglicher Risiken. Anders als die meisten Autoschlüssel ist das Handy in der Regel online und so über Schadsoftware angreifbar. Was passiert, wenn das Handy zurückgesetzt wird? Auch physische Eingriffe, etwa nach einem Handy-Diebstahl, bedrohen die Integrität des Systems.
Die Datensicherheit steht deshalb im Fokus des federführenden “Car Connectivity Consortium”, das einen industrieweiten Standard erarbeitet hat. Den Entwicklern kommt zugute, dass moderne Smartphones bereits mit Sicherheitstechnologien wie Fingerabdruck-Scanner oder Gesichtserkennung ausgestattet sind. Nicht autorisiertes Kopieren, Verändern und Löschen von Schlüsseln müssen ebenso unterbunden werden wie das unerlaubte Erstellen neuer Schlüssel oder das Abfangen von Datenübertragungen. Verkauft der Besitzer sein Auto, muss der neue Besitzer in der Lage sein, alle bestehenden Berechtigungen zu löschen.
Um diese Sicherheitsanforderungen erfüllen und die Kosten senken zu können, arbeiten Auto- und Tech-Industrie seit Sommer 2016 an dem einheitlichen Standard. Alle bis etwa Mitte 2018 erhältlichen Systeme sind dagegen Einzellösungen, die teilweise proprietär weiterentwickelt werden.
Aus Drei mach Vier: 2013 ersetzt der 4er das BMW 3er Coupé.
NFC wird zum Standard
Moderne Handys sind für das Öffnen von Autos grundsätzlich vorbereitet: Der notwendige Chip für “Near Field Communication” (NFC) steckt in den meisten Smartphones und ermöglicht Datenübertragungen zwischen Geräten auf kurze Distanz. Das Gegenstück zum Chip montieren die Autohersteller im Türgriff des Autos. Kunden von Car-Sharing-Programmen kennen das Prinzip bereits: Bei Diensten wie Share Now reservieren, öffnen und schließen sie den Mietwagen schlüssellos per App. Der Unterschied: Die Technik arbeitet im Mobilfunk-Netz. In Tiefgaragen oder Gebieten ohne Netzabdeckung funktioniert das System der Car-Sharer nicht.
Das ändert sich mit der Nutzung von NFC. Um es nutzen zu können, muss der Autofahrer eine App des Autoherstellers installieren und sein Smartphone im Auto registrieren. Die nötige Anbindung an das Handynetz besitzen neue Pkw-Modelle ohnehin, sie ist für den vorgeschriebenen Notruf-Standard eCall erforderlich. Nach der Registrierung des Smartphones funktioniert der digitale Schlüssel ohne Internet. Dann erkennt das Auto den zugewiesenen NFC-Chip auch, wenn der Handy-Akku fast leer ist. Befindet sich der Chip im Auto, gestattet die Technik den Start des Fahrzeugs wie bei einem Funkschlüssel.
Diese Hersteller bieten digitale Autoschlüssel an
Hersteller wie Audi, BMW und Mercedes haben NFC-Schlüssel im Angebot, ihre Systeme aber zum Teil in Eigenregie weiterentwickelt. So funktioniert das BMW-System nur mit Apples iPhone. Mercedes stellt den „digitalen Fahrzeugschlüssel“, der ursprünglich per Smartphone funktioniert, Anfang 2020 sogar auf einen NFC-Sticker um. Der kann – muss aber nicht – auf das Handy geklebt werden. Daimler begründet die Umstellung mit Zweifeln an der Sicherheit der marktüblichen Mobiltelefone. Volumenhersteller wie Ford und Hyundai bieten bisher nur Mobilnetz-basierte Systeme an. Tesla verwendet im Model 3 eine Lösung über Bluetooth. Dies ist eine reine Komfort-Funktion. Tesla-Fahrer sollten den Schlüssel bzw. die Schlüsselkarte trotzdem mit sich führen. Sonst lässt sich das Auto bei einer App-Fehlfunktion nicht öffnen und nicht starten.
In der Stadt rein elektrisch, auf der Autobahn mit Verbrenner-Unterstützung: Seit 2014 fährt der Passat als GTE-Modell teil-elektrisch.
Übersicht: Digitale Autoschlüssel
Marke | NFC/Mobilnetz | Verkaufsbezeichnung | Besonderheit |
---|---|---|---|
Audi | NFC | Audi connect Schlüssel | bislang nur mit Android |
BMW | NFC | BMW Digital Key | nur Apple ab iOS 13.6 |
Ford | Mobilnetz | FordPass Connect | Abo: 1,99/3,99 EUR mtl. |
Hyundai | Mobilnetz | Bluelink | Fahrzeuge ab Herbst 2020/ältere Modelle mit Upgrade |
Mercedes | NFC | digitaler Fahrzeugschlüssel | ab 2020: NFC-Sticker statt Smartphone |
Porsche | Mobilnetz | Porsche Connect | über Vodafone-Netz |
Tesla | Bluetooth | serienmäßig | bis zu 19 Schlüssel |
Volvo | Mobilnetz | Volvo On Call | nicht für alle Modelle |
VW | NFC | We Connect | je nach Modell/bislang nur Android |
(Stand: Januar 2021)
Setzt sich der Digital Key 2021 durch?
2021 sollen drei weitere große Autohersteller folgen. Das meldet der Zulieferer Continental, der entsprechende Verträge geschlossen hat. Diese Systeme basieren dann auf dem branchenweiten Standard “Digital Key” des “Car Connectivity Consortium”. Der Forschungsverbund hat Erfahrung mit der Entwicklung einheitlicher Standards. Er entwickelte bereits „MirrorLink“, ein System zur Kopplung von Smartphone und Auto. „MirrorLink” steckt heute weltweit in Millionen Autos. Aber: Es wird nach und nach von den Systemen Apple CarPlay und Android Auto (Google) verdrängt.
Beim Autoschlüssel-Standard sitzen die Tech-Riesen direkt mit am Tisch. Zum Verbund gehören beispielsweise Dekra und TÜV, Zulieferer wie Bosch und Faurecia, Tech-Anbieter wie Panasonic, Google, Apple und Samsung. Daneben die großen Autohersteller BMW, Daimler, Honda, Hyundai, Mazda, die Opel-Mutter PSA, Toyota oder der VW-Konzern.
Mitte 2018 stellt das Konsortium die erste Version des “Digital Key” vor. Funktionsseitig fehlt ihm wenig, aber die Integration ins Fahrzeug ist kompliziert. Deshalb ist die Technik bisher noch teuer oder aber an Zusatzausstattung wie große Infotainmentsysteme gekoppelt. Das zweite Release Digital Key 2.0 macht die Technik für den Massenmarkt interessant. Es umfasst eine standardisierte Authentifizierung und eine einfachere Integration ins Fahrzeug – und damit deutlich günstigere Entwicklungskosten für Autohersteller.
Veröffentlicht wird die neue Version im Mai 2020. Kurz darauf nimmt Apple die Funktion in die AGB seines Handy-Betriebssystems iOS auf. Bisher offeriert jedoch nur BMW einen NFC-Digital-Key für Apple-Geräte. Volkswagen und Audi bieten den digitalen Autoschlüssel zwar an, jedoch bisher nur für Android. Andere Hersteller wie Hyundai oder PSA (Peugeot, Opel) hatten entsprechende Systeme zwar angekündigt, haben sie aber bislang nicht eingeführt. Opel will im Laufe des Jahres 2021 zumindest eine Mobilfunk-basierte App-Lösung anbieten.
Auch mit etwas Sand im Getriebe: Weitere Hersteller werden folgen. Ob der klassische Schlüssel damit ausgedient hat, muss die Zeit zeigen. Auch beim handygestützten, bargeldlosen Bezahlen erweisen sich vor allem deutsche Kunden als eher vorsichtig.
Mercedes rüstet große Sechszylinder wie den GLE 450 seit 2018 mit Mildhybridsystem aus.
Smartphone als Autoschlüssel nachrüsten
Lässt sich die Funktion nachrüsten, das Handy nachträglich zum Autoschlüssel umfunktionieren? Trotz komplexer Sicherheitsprobleme haben Anbieter dafür Lösungen entwickelt. Allerdings mit eher rustikalen Mitteln. Die „flinkey Box“ ist eine solche Lösung. Das Gerät verbleibt fest im Auto, angeschlossen an das 12-Volt-Netz der Autobatterie. Es stellt über das Mobilfunknetz die Verbindung zum Handy her. Im Inneren des Geräts befindet sich der Original-Autoschlüssel in einer genau passenden Mulde aus dem 3D-Drucker. Betätigt der Nutzer auf dem Handy die „Öffnen“-Funktion, drückt die Box auf dem Schlüssel den entsprechenden Knopf – mechanisch.
Das könnte Dich auch interessieren