Drängler: So kannst Du Dich schützen
Dicht auffahren, anblinken, wild gestikulieren: Drängler sind eine Gefahr. Wann es zur Nötigung wird? Und ob man Drängler anzeigen sollte? Liest Du hier.
Das größte Ärgernis im Straßenverkehr? In einer Umfrage unter ADAC-Mitgliedern war die Antwort für 85 Prozent der Teilnehmer klar: Wenn der Hinterherfahrende drängelt. Verständlich – keiner fühlt sich wohl, wenn es plötzlich im Rückspiegel aufblitzt. Und das nachfolgende Auto so knapp an unserer Stoßstange hängt, dass man im Rückspiegel die pulsierenden Adern am Kopf eines brüllenden Autofahrers erkennt.
In Situationen wie diesen steigt die Nervosität, eine besonnene Entscheidung fällt schwer: Das Gas durchtreten und den Abstand wieder vergrößern? Schnell nach rechts rüber? Oder den Drängler mit einem Tritt aufs Bremspedal zur Vernunft bringen? Im vierten Teil unserer Serie „Das nervt! Ärgernisse im Straßenverkehr“ suchen wir die Antwort. Außerdem klären wir, wie man rechtlich gegen Drängler vorgehen kann. Wann Drängeln zur Nötigung wird. Und wie teuer zu dichtes Auffahren werden kann.
Warum wird gedrängelt?
Verkehrspsychologen meinen: Stress, Zeitdruck und Probleme aus dem Alltag werden häufig mit ans Steuer genommen und dort kompensiert. Im Auto ist es demnach leichter als im normalen Alltag, Stärke zu zeigen, seinen Willen durchzusetzen – oder dem Zorn freien Lauf zu lassen.
In der Fahrerkabine hört eben niemand außer dem Piloten selbst dessen wüsten Entgleisungen. Dabei richtet sich die Wut meist nur indirekt gegen einen anderen Menschen am Steuer. Denn die Verkehrsteilnehmer um einen herum nimmt man als de-personalisiert wahr. Im konkreten Fall: als rollendes Hindernis zwischen einem selbst und der rechtzeitigen Zielankunft.
Ob Drängeln typisch für Fahrer bestimmter Autos ist? Laut Verkehrspsychologen bestimmt insgesamt der Charakter, ob jemand zum Drängeln neigt – an Automarken, Fahrzeugklassen oder Leistungszahlen könne man keine Tendenzen festmachen.
Der sukzessive Stellenabbau von Polizeibeamten in den vergangenen Jahren vergrößerte das Problem jedenfalls. Wird weniger kontrolliert, fühlen sich Autofahrer unbeobachtet. Schlägt jemand über die Stränge, wird dies seltener sanktioniert. So schleifen sich aggressive Verhaltensweisen wie das Drängeln schnell ein.
Zusätzlich erhöhen ein wachsender Fahrzeugbestand und die Zunahme an Baustellen ganz allgemein den Stress beim Autofahren. Man hat öfter das Gefühl, Zeit aufholen zu müssen. Und rückt dabei dem vorausfahrenden Auto zu nahe auf die Pelle.
Ab wann beginnt Drängeln?
Klar ist: In vielen Situationen auf der Autobahn wird der Mindestabstand unterschritten. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist das der Fall, wenn die Distanz nach vorne weniger als zwei Sekunden beträgt (eine Sekunde in geschlossenen Ortschaften bei maximal 50 km/h). Das Unterschreiten macht den Hinterherfahrenden allerdings noch nicht per se zum Drängler. Verkehrsrechtlich verläuft die Grenze zwischen Absicht und temporärer Unterschreitung.
Bedeutet in der Praxis: Fährt ein Autofahrer auf die Autobahn auf und fädelt sich in den fließenden Verkehr ein, kann der Mindestabstand in der Momentaufnahme zu gering ausfallen. Zum Drängler wird dieser Pilot in rechtlicher Hinsicht erst, wenn er dem Vorausfahrenden über längere Zeit derart knapp am Heck hängt.
Ein Gerichtsurteil des Oberlandesgericht Hamm aus dem Jahr 2013 konkretisiert das. Demzufolge drängelt, wer für mehr als drei Sekunden oder über eine Strecke von mehr als 140 Metern hinweg den notwendigen Sicherheitsabstand unterschreitet.
Wann wird Drängeln zur Nötigung?
Wann Drängeln zur Nötigung wird, ist aus rechtlicher Sicht eine Einzelfallentscheidung. Als Grundlage dient der Paragraf (§ 240) des Strafgesetzbuches. Demnach liegt eine Nötigung vor, wenn jemand durch Gewalt oder eine Drohung derart in Angst versetzt wird, dass er eine Handlung gegen den eigenen Willen begeht. Zur Entscheidung über eine Nötigung im Straßenverkehr werden außerdem Sicherheitsabstand, Geschwindigkeit und Dauer der Bedrängnis herangezogen.
Letztlich liegt eine Nötigung im Straßenverkehr erst dann vor, wenn die bedrängte Person in eine unfallgefährdende Lage versetzt oder in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Wann dies der Fall ist, unterscheidet sich von Fahrer zu Fahrer. Der eine bleibt gelassen, während hinter ihm der Drängler aus der Haut fährt. Dem anderen pocht das Herz und er wird nervös.
Das Betätigen der Lichthupe allein führt nicht automatisch zum Straftatbestand der Nötigung. Auch nicht, wenn mehrmals hintereinander aufgeblendet wird. Erst wenn sie in Kombination mit zu dichtem Auffahren eingesetzt wird, kann eine Nötigung vorliegen. Übrigens: Den Drängler als „pädagogische Maßnahme“ auszubremsen, wird ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit als Nötigung gewertet.
Mit welchen Konsequenzen müssen Drängler rechnen?
Im schlimmsten Fall verursachen Drängler mit ihrem Verhalten einen Unfall. Etwa direkt, weil sie sich in einer Notsituation Platz und Zeit zum Reagieren nehmen. Oder indirekt, wenn die bedrängte Person in einen Fahrfehler oder eine panische Reaktion gehetzt wird. Nicht selten bremsen Fahrer reflexartig oder reißen das Steuer herum, wenn unerwartet ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit und Lichthupe im Rückspiegel auftaucht.
Erwischt die Polizei einen Drängler, ahndet sie in der Regel einen Abstandsverstoß. Die Höhe der Strafe richtet sich hierbei nach der gefahrenen Geschwindigkeit und dem eingehaltenen Abstand.
Beispiel: Fährt ein Autofahrer 140 km/h und lässt dabei nur 14 Meter Abstand zum Vorausfahrenden (rund 70 Meter entsprächen dem Mindestabstand), drohen ihm 320 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und zwei Monate Fahrverbot.
Wird das Drängeln als Nötigung nach Paragraf 240 StGB gewertet, drohen dem Verkehrssünder entweder eine Geldstrafe oder ein Gefängnisaufenthalt von bis zu drei Jahren. Darüber hinaus kann dem verurteilten Autofahrer die Fahrerlaubnis entzogen werden. Von der Neu-Erteilung des Führerscheins können Drängler dann bis zu sechs Jahre lang ausgeschlossen werden.
So sollte man mit Dränglern umgehen
Verkehrspsychologen raten, den Raser immer gewähren zu lassen – sich also in keine Geschwindigkeitsduelle oder Schlachten um die Fahrspur verstricken zu lassen. Belehrungsversuche mittels kurzer oder entschiedener Bremsungen sind ebenfalls zwecklos, meist gefährlich und stets strafbar.
Um die Situation gar nicht erst entstehen zu lassen, sollten sich Fahrer nach einem Überholvorgang frühestmöglich wieder in die rechte Spur einordnen. Hängt dennoch jemand lichthupend an der Stoßstange, gilt es in jedem Fall, die Ruhe zu bewahren.
Den Drängler anzeigen?
Wurde man massiv bedrängt, kann eine Anzeige sinnvoll sein. Die Polizei benötigt dafür Marke, Modell, Wagenfarbe und Kennzeichen des drängelnden Fahrzeugs. Außerdem sollte man den Fahrer beschreiben können. Aber Achtung: Den Drängler während der Fahrt zu fotografieren (oder zu filmen), ist strengstens untersagt. Und trägt in dieser Situation garantiert nicht zur Verkehrssicherheit bei.
Entgegen der landläufigen Meinung muss man für eine derartige Anzeige keinen Zeugen anführen. Der Glaubwürdigkeit wäre es natürlich dienlich. Ohne Zeuge stünde es also Aussage gegen Aussage? Nicht ganz, die Justiz schätzt den Anzeigenden tendenziell als glaubwürdiger ein. Vor allem dann, wenn kein persönliches oder finanzielles Interesse an einem Verfahren erkennbar ist.
Die Anzeige kann per Anruf oder persönlich auf der Wache erstattet werden. In einigen Bundesländern ist dies außerdem online möglich.
Drängler sind längst nicht das einzige Ärgernis auf unseren Straßen. Was noch nervt, liest Du in den vorherigen Teilen unserer Reihe „Das nervt! Ärgernisse im Straßenverkehr“.