Das ist dran am Tesla-Hype und an den Autos
Heilsbringer, Scharlatan oder am Ende doch nur ein normaler Autobauer? Tesla wird zur Wirtschaftsmacht in Deutschland. Höchste Zeit, mal genau hinzuschauen.
Jeder kennt Tesla. Und fast jeder hat eine Haltung zu Tesla. Die Meinungen variieren zwischen Heilsbringer und Hochstapler. Fans feiern die Marke und deren Gründer Elon Musk. Feinde warten auf den Absturz. Dazwischen passt kein Akku.
An der US-Börse ist Tesla der wertvollste Autobauer, seit Ende August 300 Milliarden Dollar wert. Toyota wird als zweitwertvollster mit knapp 190 Milliarden Dollar bewertet. Zum Vergleich: Toyota baut 10 Millionen Autos pro Jahr, Tesla ein paar Hunderttausend.
Nur: Der eine steht für die beste Qualität im Automobilbau, der andere wegen seiner Qualität häufig in der Kritik. Wir sagen, was dran ist an Tesla: der Technik, den Autos und der Firma.
Teslas Autos: Qualität, Fahreigenschaften und Zuverlässigkeit
Unsere Test-Erfahrungen mit Tesla-Modellen bestätigen viele Vorurteile. An einem von uns gefahrenen Model X machen die Flügeltüren Ärger. Sie wollen mehrfach nicht komplett öffnen. Wenn man sie schließt, bleibt eine große Kante zwischen Tür und C-Säule.
Das Tesla Model 3 fällt im Test ebenfalls durch eklatante Verarbeitungsmängel auf: An diversen Stellen sind Fugen und Spalte zwischen Karosserieteilen ungenau gezogen, ebenso zwischen Fenstern und Karosserieteilen sowie zwischen Anbauteilen und Karosserieteilen. Die schiefe Haube lässt uns an einen schlecht reparierten Unfallschaden denken. Das vordere Dachteil weist nicht dieselbe Breite auf wie das hintere. Bei der Fahrt über holprigen Belag oder bei Bodenwellen knarzt, knackt und klappert das Auto entsprechend. Dazu rauchen die Bremsen in einem Vergleichstest der Car-of-the-year-Finalisten 2020 nach drei sehr schnellen Runden auf der Teststrecke von Mortefontaine. Das passierte im Vergleich nur beim Tesla Model 3. Renault Clio und Peugeot 208 sowie alle anderen Testautos konnten das sehr viel besser. Bei ihnen rauchte keine Bremse.
Dagegen stehen die Besitzer der Modelle, die sich in Tesla-Foren austauschen. Sie sind rundum zufrieden und kennen keine derartigen Mängel. In der Fachpresse gibt es den Berichten zufolge ebenfalls Kollegen mit mehr Glück. Die Streuung scheint groß zu sein.
Im Juli 2017 startet die Produktion des Model 3. Seit Anfang 2019 stromert der Kalifornier auch auf europäischen Straßen.
Das sagen Tesla-Fahrer über ihren Tesla
Tesla Schlusslicht in der Qualitätsstudie von J.D. Power
Unabhängige Untersuchungen zeigen hingegen: Die Qualitäts- und Verarbeitungsprobleme sind Tesla-Fahrern geläufig. In einer im Sommer 2020 veröffentlichten Studie des Datenanalyse-Spezialisten J.D. Power (USA) zur Kundenzufriedenheit landet Tesla auf dem letzten Platz. Das Institut hatte Autofahrer nach ihren Erfahrungen mit ihrem Neuwagen in den ersten 90 Tagen ab Auslieferung des Fahrzeugs gefragt. Vor allem nach Fehlern. Tesla-Eigentümer berichten im Schnitt von 250 Problemen pro 100 Autos (PP100). Der Schnitt über alle 32 untersuchten Hersteller liegt bei 166 Problemen. Am besten schnitten die Marken Dodge und Kia ab. Bei ihnen traten rund 136 Probleme pro 100 Autos auf. Das über- bzw. unterbietet Tesla deutlich.
J.D. Power konnte die Tesla-Fahrer zwar nicht in allen 50 Bundesstaaten der USA befragen, weil Tesla sich querstellte. Als einziger Autohersteller erlaubte das Unternehmen dem Institut nicht, Kunden zu befragen. Aber es sammelte in 35 Staaten Daten von 1.250 Tesla-Fahrern, die überwiegend das Model 3 besitzen. Tesla ist damit nur inoffiziell Teil des Rankings. Den letzten Platz belegt der Hersteller mit Abstand. Er befindet sich dabei jedoch in, nun ja, „bester“ Gesellschaft: Auf Platz 30 liegt zum Beispiel Audi mit 228 PP100, auf Platz 28 Mercedes mit 202 PP100.
Viele der Beschwerden beziehen sich auf offensichtliche Probleme bei der Fertigungsqualität. Fehler im Lack, schlecht sitzende Karosserieteile sowie Quietsch-, Knarz- oder Klappergeräusche werden häufig moniert. Fast ein Viertel der Probleme hat mit dem Infotainment zu tun. Oft sind es Petitessen, die wir von anderen Herstellern kennen: Probleme mit Apple CarPlay oder Android Auto etwa oder mit der Sprachsteuerung. Doch es gibt auch Berichte über zu geringe Reichweiten oder fehlerhafte Reichweitenanzeigen.
Der große Touchscreen scheint ohnehin problematisch. Die oberste Verkehrsbehörde der USA hat im Sommer 2020 eine Untersuchung eingeleitet. Bei frühen Tesla Model S der Baujahre 2012 bis 2015 fällt der Bildschirm offenbar öfter aus. Keine Kleinigkeit. Fast alle Funktionen werden darüber gesteuert. Auch solche, die mit dem Fahren zu tun haben und sicherheitsrelevant sind (siehe auch unten).
Ebenfalls ein aktenkundiges Problem: die Lackierung. Im Juni reichen Besitzer des Model 3 eine Schadenersatzklage deswegen ein. Das betrifft vor allem Autos, die in Regionen mit strengen Wintern bewegt werden. Beim Model 3 des Klägers soll sich der Lack im unteren Bereich des Wagens schon innerhalb eines Jahres stark abgenutzt haben.
Der E-Motor im Model S leistet 422 PS. Bis Tempo 100 vergehen 4,4 Sekunden.
Tesla im Consumer Report: Es gibt Fortschritte
Doch offenbar lernt Tesla dazu. Das zeigt die jüngste Erhebung des Consumer Reports (CR). Die renommierte Verbraucherorganisation erstellt regelmäßig ein Ranking der Autohersteller. In die Wertung fließen Testergebnisse, die Zuverlässigkeit, die Kundenzufriedenheit und die Sicherheit der angebotenen Modelle ein. Das jüngste Update stammt aus dem Februar 2020. Tesla macht hier einen Satz nach vorne und verbessert sich um acht Plätze auf Rang 11 von 33 Marken.
Mit 73 Punkten liegt Tesla einen Punkt hinter BMW, gleichauf mit Toyota, drei Punkte vor VW und 5 Punkte vor Mercedes. Laut den Testern des CR hat sich Tesla in den letzten Jahren und Monaten stetig bei Qualität und Zuverlässigkeit verbessert. Viele frühere Probleme rühren laut dem CR-Testchef daher, dass die Autos in den ersten paar Monaten laufend angepasst wurden. Neue Sitze, neue Fensterscheiben oder eine neue Federung können eben auch neue Probleme bedeuten. Laut dem CR wurden sowohl das Model S als auch das Model 3 zuletzt deutlich zuverlässiger.
Es ist ein wiederkehrendes Muster: Tesla nimmt anfängliche Probleme in Kauf, um die Produkte so schnell wie möglich auf die Straße zu bringen. Für viele Tesla-Kunden eine lässliche Sünde. Sie sehen sogar einen Vorteil darin: Die Autos von Tesla mögen anfangs nicht perfekt sein, doch sie werden im laufenden Betrieb nachgebessert. Und solange es sich um kleinere Qualitäts- und Verarbeitungsmängel handelt, trübt das die Zufriedenheit der Tesla-Fahrer mit ihrem Auto offenbar nur wenig.
Viele Mängel, große Zufriedenheit – und Ärger beim Model Y
Eine Umfrage von Bloomberg aus dem Jahr 2019 zeigt das ganz deutlich. Die Nachrichtenagentur befragte 5.000 Tesla-Fahrer, wie sie die Qualität und Zuverlässigkeit ihres Tesla Model 3 bewerten. Viele berichten von den genannten Problemen beim Lack, schlecht passenden Karosserieteilen und Ärger mit dem Infotainment. Trotzdem bewertet ein Großteil der Tesla-Fahrer seine Erfahrung mit dem Auto als durchweg positiv – trotz diverser Probleme. Für Bloomberg ein wiederholt auftretendes Paradoxon in der Umfrage.
Womöglich sind jedoch beim jüngst in den USA gestarteten Model Y die Fehler noch größer als beim Model 3. Aktuell machen zahlreiche Berichte von Käufern über erhebliche Mängel die Runde. Zum bekannten Ärger mit Spaltmaßen, Lack und schlechter Verarbeitung im Innenraum kommen zum Teil sicherheitsrelevante Mängel an dem SUV: Rücksitzbänke sind nicht befestigt oder Gurtschlösser nicht verankert.
Es spricht also vieles dafür, dass Tesla nichts an dem „bewährten“ Vorgehen geändert hat: Autos werden trotz erheblicher Defizite in der Produktion auf den Markt geworfen. Beim Model Y könnte die Schwere der Probleme allerdings auch auf Corona zurückzuführen sein. Viele Medien berichten, dass Tesla nach der Produktionspause erhebliche Schwierigkeiten hatte, das Werk wieder hochzufahren.
Bei sicherheitsrelevanten Mängeln endet die Geduld der Käufer. Es ist nur ein episodischer Befund, doch in einschlägigen Tesla-Foren scheinen sich die Beschwerden von Käufern zu häufen, die nicht bereit sind zu verzeihen. Zudem gibt es Berichte, denen zufolge Elon Musk beim Model Y die Anweisung herausgegeben hat, die Nachbesserungen so gering wie möglich zu halten. Dazu passen diverse Berichte von Tesla-Fahrern, dass sich Tesla weigere, offensichtliche Probleme zu beheben.
• Motor: Elektro
• Leistung: ab 136 PS
• 0-100 km/h: 9,7 s
Autonomes Fahren: Tesla und die Sicherheit
Als sogenannter „Disruptor“ (frei übersetzt „Zerbrecher“) wirbelt Tesla eine etablierte Branche komplett durcheinander. Als deutsche Hersteller beim Thema Elektromobilität noch mit öligen Fingern abwinken, setzt Tesla schon zu 100 Prozent auf die Technologie. Im Laufe der Jahre bietet Tesla seinen Kunden ein Komplettpaket inklusive Ladeinfrastruktur. So innovativ ist kein Konkurrent zu diesem Zeitpunkt. Doch Tesla zeigt nicht nur bei der Elektromobilität Pioniergeist, sondern auch beim autonomen Fahren. Mit zum Teil fatalen Folgen.
Der Tesla Autopilot, der weitgehend automatisiertes Fahren erlaubt, steht seit seiner Einführung 2015 in der Kritik. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB macht den Autopiloten für mindestens drei tödliche Unfälle in den USA verantwortlich. In den Vereinigten Staaten gibt es Diskussionen darüber, ob das System legal im Straßenverkehr eingesetzt werden dürfe.
In Deutschland sind hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktionen laut Paragraf 1a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zwar erlaubt, aber an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft. Die Systeme müssen zudem ausgiebig getestet, überprüft und explizit zugelassen werden. Bislang besitzt noch kein Hersteller eine Zulassung fürs autonome Fahren. Nicht einmal nach Level 3, bei dem der Fahrer nur in sehr eng beschriebenen Verkehrssituationen seine Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr abwenden darf.
Teslas sogenannter „Autopilot“ erfüllt die Anforderungen nicht. Wie unsere eigene Erfahrung mit einem Model X zeigt, funktioniert das System zwar exzellent. Aber nur an der Oberfläche. Sobald Situationen auftreten, die der Autopilot nicht beherrscht, wird es gefährlich. Weil Tesla trotzdem offensiv mit dem System warb und nicht ausgereifte Funktionen anbot, soll der Zulieferer Mobileye seine Partnerschaft mit Tesla 2016 beendet haben. Das israelische Unternehmen, dessen Sensoren, Chips und Kameras in Fahrzeugen verschiedener Hersteller zum Einsatz kommen, sah den Ruf seiner Technologie gefährdet.
Inzwischen entwickelt Tesla die Hardware für automatisierte Fahrfunktionen selbst. Der heutige „Autopilot“ verhält sich an vielen Punkten anders als früher. Erst kürzlich wurden sogar neue Funktionen freigeschaltet. So erkennt das Model 3 jetzt Ampeln und kann davor anhalten. Theoretisch könnten das auch andere Hersteller. Tesla lässt jedoch nach wie vor deutlich mehr zu als die etablierten Hersteller. Die gehen bewusst wesentlich vorsichtiger an die Sache heran.
In Deutschland hat Tesla deswegen Ärger mit der Justiz. Laut dem Landgericht München erweckt die Firma den Eindruck, autonomes Fahren sei mit einem Tesla möglich und zulässig. Es untersagte Tesla im August 2020 die Werbung mit Begriffen wie „Autopilot: inklusive“, „volles Potenzial für autonomes Fahren“ oder „bis Ende des Jahres: autonomes Fahren innerorts“.
Mittlerweile sind die Formulierungen auf der Website abgeschwächt. Tesla spricht von der „Autopilot-Zukunft“ und verspricht „in Zukunft voll autonomes Fahren für die meisten Szenarien“. Die nötige Hardware dafür sei beim Model 3 bereits an Bord. Damit geht Tesla weiterhin deutlich offensiver ans Thema heran als alle anderen Hersteller. Die glauben, ohne teure Lidar-Sensoren sei vollautomatisiertes Fahren nicht umsetzbar. Für Tesla-Chef Elon Musk ist es hingegen nur noch ein Software-Problem. Künstliche Intelligenz soll dafür sorgen, dass die Autos das autonome Fahren lernen.
Auf Basis des Golf 7 gebaut, erkennt man den e-Golf an den C-förmigen Tagfahrleuchten.
Tesla und die Technik: Eine solide Basis
Die Wahrscheinlichkeit, dass Autos von Tesla innerhalb der nächsten zwei Jahre genug gelernt haben, erscheint gering. Einerseits. Andererseits bescheinigen selbst deutsche Automanager Tesla einen Vorsprung. VW-Chef Herbert Diess etwa lobte im April 2020 die Assistenzsysteme. „500.000 Teslas funktionieren als ein neuronales Netz, das kontinuierlich Daten sammelt und dem Kunden im 14-Tages-Rhythmus ein neues Fahrerlebnis bietet“, sagte er der „Automobilwoche”. Das könne sonst keiner. Kehrseite der Technik: Datenschützer sehen in ihrer Arbeitsweise einen Verstoß gegen in Deutschland geltendes Recht.
Trotzdem: Unabhängige Experten und solche von etablierten Autoherstellern bestätigen immer wieder, dass Tesla viele Dinge besser macht als die Konkurrenz. Besonders beeindruckt sind sie beispielsweise von der zentralen Rechnereinheit des Model 3. Ein einziges selbst von Tesla entwickeltes Bauteil ist für die Funktionen des automatisierten Fahrens und das Infotainmentsystem zuständig. In Autos der etablierten Hersteller müssen hingegen mehrere Dutzend Steuergeräte mit verschiedenen Betriebssystemen mit der Software von zum Teil Hunderten Zulieferern zusammenarbeiten. Die Komplexität ist schwer beherrschbar und verlangsamt die Weiterentwicklung.
Porsche und Audi nehmen Anfang 2019 ein Model 3 im Wege des Reverse Engineering auseinander. Mit dem Ergebnis, dass Tesla ein Model 3 deutlich günstiger produzieren kann als erwartet. Und deutlich günstiger als die eigene Elektroauto-Plattform PPE (Premium Platform Electric). Die kompakte Leistungselektronik des Model 3 gilt den Experten ebenfalls als vorbildlich. Wie schon 2018 in der „Süddeutschen Zeitung” zu lesen war, loben Techniker eines „deutschen Premiumherstellers“ das Bauteil, weil es „kompakt, ausbaufähig, voll integriert, modular, leicht zugänglich, gut geschützt, günstig und in vielen Details verblüffend clever gemacht“ sei.
Bei den Akkus hingegen scheint der Vorsprung von Tesla aktuell nicht ganz so groß, wie die enorme Reichweite von Tesla-Modellen vermuten ließe. Bei der Energiedichte liegen alle Hersteller auf etwa einem Niveau. Die Autos von Tesla kommen deshalb weiter als viele andere, weil sie über große Akkus verfügen und besonders effizient fahren. Grund: Sie sind insgesamt clever konstruiert. Der koreanische Hyundai-Konzern (Hyundai, Kia) zeigt mit den eigenen Elektroautos allerdings, dass Tesla in diesem Bereich schlagbar ist.
Andes ausgedrückt: Auch Tesla kann die Gesetze des Marktes und der Chemie nicht aushebeln. So kündigte Elon Musk auf dem Battery Day am 22. September 2020 zwar an, den Preis für seine Elektroautos drastisch zu senken. Doch der Tesla für 25.000 Dollar (umgerechnet 21.000 Euro) wird erst mit einer neuen Generation Batteriezellen möglich. Anders als zuvor erwartet, sind die neuen Akkus erst in etwa drei Jahren in großem Umfang einsatzbereit. Sie sollen nicht nur deutlich günstiger zu produzieren sein, sondern auch schneller. So kann Tesla den Output seiner Batteriefabriken erhöhen. Außerdem sollen sie ohne den kritischen Rohstoff Kobalt auskommen, der oftmals unter unwürdigen und zum Teil illegalen Bedingungen gefördert wird. Klingt gut, doch drei Jahre sind lang für Elon Musks Verhältnisse. Schließlich macht die Konkurrenz ebenfalls Fortschritte.
Die Batteriezellen gehören mittlerweile zu den wenigen Bauteilen, die Tesla nicht selbst herstellt. Noch nicht. Sowohl in Fremont, Kalifornien, als auch im gerade entstehenden Werk in Grünheide, Brandenburg, soll wohl zumindest eine kleine Zellfertigung entstehen.
Tesla und die Mitarbeiter: Leidensfähigkeit gefordert
Apropos Grünheide: Als Elon Musk Anfang September die Baustelle seiner neuen Gigafabrik in Brandenburg besucht, trifft er danach nicht nur VW-Chef Herbert Diess, der sich in einem Video ehrfurchtsvoll mit dem Tesla-Chef zeigt. Am Rande der CDU/CSU-Klausurtagung kommt er auch mit mehreren Spitzenpolitikern der CDU zusammen: Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Gesundheitsminister Jens Spahn, Forschungsministerin Anja Karliczek und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Ungewöhnlich. Sonst wirft man Politikern eher vor, Deals mit der Autoindustrie in Hinterzimmern auszuhandeln. Doch Elon Musk steht für Pioniergeist, mit dem Politiker gerne identifiziert werden wollen. Und Tesla könnte in Deutschland zum Wirtschaftsfaktor werden.
Tesla sucht aktuell bereits Mitarbeiter für das bei Berlin entstehende Werk. Eine endgültige Baugenehmigung gibt es zwar noch nicht, doch gebaut wird bereits. Schon im Sommer 2021 soll die Produktion aufgenommen werden. Bis zu 12.500 Mitarbeiter sollen in der ersten Ausbaustufe am Standort arbeiten und bis zu einer halben Million Autos pro Jahr fertigen. Künftig sollen drei weitere Ausbaustufen errichtet werden. Zum Vergleich: In Deutschlands größter Autofabrik in Wolfsburg arbeiten rund 60.000 Angestellte.
Tesla wirbt damit, „für die Beschleunigung des Übergangs zu nachhaltiger Energie“ zu stehen. „Revolutionäre Strategien und Produkte“ habe man entwickelt, was nur mit „außerordentlicher Geschwindigkeit, Innovationskraft und Effizienz“ möglich sei.
Gleichzeitig macht Tesla immer wieder wegen fragwürdiger Arbeitsbedingungen auf sich aufmerksam. So gab es während der anlaufenden Model-3-Produktion Berichte über Unfälle und teils extrem harte Arbeitsbedingungen. Ex-Mitarbeiter berichten von nicht eingehaltenen Sicherheitsvorschriften und von bis zu 70 Arbeitsstunden pro Woche. Seit Jahren gelingt es Mitarbeitern der Tesla-Werke zudem nicht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Mitarbeiter würden unter Druck gesetzt oder gar entlassen, heißt es. Die Tesla-Werke in den USA sind die einzigen Autowerke, in denen die US-Gewerkschaften nicht vertreten sind. Andererseits loben ehemalige Angestellte die Arbeitsatmosphäre, die noch immer an ein Start-up erinnere. Elon Musk kümmere sich um viele Dinge selbst, sei oft in den Werken präsent und lege Wert auf die Meinung seiner Mitarbeiter.
Dass es Tesla in Grünheide schafft, die Gewerkschaften ebenfalls draußen zu halten, ist unwahrscheinlich. Beim Autozulieferer Grohmann aus Rheinland-Pfalz, den Tesla 2017 übernahm, zeigte sich das Unternehmen immerhin kompromissbereit. Zwar weigerte sich Tesla dort, in den Tarifvertrag einzusteigen. Die Löhne wurden nach Gehaltsverhandlungen jedoch um rund 30 Prozent erhöht und es gab eine Beschäftigungsgarantie bis 2022. Das ungewöhnlich niedrige Gehaltsniveau zuvor hatte Tesla übernommen. Der Konzern lernt offenbar dazu – nicht nur bei der Fertigung seiner Autos.