Damit das Autonome Fahren sicher wird
Mit der Mobilität ändert sich die Sicherheit. Mercedes erforscht an einem GLE im Ghostbusters-Look Airbags, Assistenten und wie Autos per Licht kommunizieren.
Insassensicherheit im Auto ist im Prinzip ganz einfach. Solange alle Insassen dort im Auto sitzen, wo sie hingehören. Dann schützen Sicherheitsgurte, Airbags und Kopfstützen. So gut es eben geht. Im Optimalfall ziehen die Gurte sich vor einem drohenden Zusammenprall straff und die Sitze bringen Fahrer und Beifahrer in eine möglichst sichere Position. Kracht es dann wirklich, können Kopf-, Brust- und Seitenairbags besser schützen.
Und jetzt kommt das automatisierte oder gar autonome Fahren und macht ganz viel davon wieder kaputt. Denn was nützt das schönste Roboterauto, wenn man weiter wie angenagelt auf seinem Platz sitzen muss. Menschen werden autonom anders (mit)fahren. Einander zugewandt vielleicht, rückwärts oder seitlich. Lesend, lümmelnd, liegend.
Eigentlich soll das automatisierte Fahren den Verkehr sicherer machen, die sogenannte „Vision Zero“ voranbringen. Heißt: Keine Verkehrstoten mehr, keine Schwerverletzten. Doch mit der veränderten Mobilität werden veränderte Sicherheitskonzepte notwendig. Nicht nur passiv zum Schutz der Insassen, sondern auch in der Kommunikation zu anderen Verkehrsteilnehmern. Der Mensch macht viele Fehler, doch er kann auch viele vermeiden, indem er sich mit anderen Menschen verständigt. Ein Roboterauto kann das nicht.
Jedenfalls noch nicht. Doch die Hersteller arbeiten an Konzepten für die Sicherheit der Zukunft. Bei Mercedes gibt es dafür „Erprobungs-Sicherheitsfahrzeuge“. Das jüngste heißt ESF 2019, basiert auf dem Mercedes GLE der Generation V 167 – und sieht aus wie für die Ghostbusters gebaut.
Kommunikation mit Licht und Projektionen
Die Leuchten und Displays auf dem Dach, in der Frontmaske, in der Heckscheibe und in den Außenspiegeln sollen aber nicht nur warnen, sondern mit Fußgängern, Fahrradfahrern oder anderen Autofahrern kommunizieren. Sie ersetzen Gestik oder Blicke des Fahrers und gehen zum Teil darüber hinaus. Animationen auf der Heckscheibe oder im Frontpanel signalisieren etwa Fußgängern, dass sie „gesehen“ wurden, dass das Auto stehen bleibt oder dass es Platz lässt.
Einblendungen in der Heckscheibe können auf ein Stauende hinweisen oder auf andere Gefahrensituationen. Das Bild der Frontkamera lässt sich ebenfalls auf die Scheibe projizieren. Lässt das ESF beispielsweise einen Fußgänger die Straße überqueren, weiß der nachfolgende Verkehr so, warum es anhält. Im Stau „erklärt“ die Heckscheibe, dass das ESF eine Rettungsgasse bildet. Das Frontpanel signalisiert das gleiche nach vorne. Es kann zudem anzeigen, wenn es Platz lässt zum Einscheren.
Selbst wenn das ESF selbst nicht am Verkehr teilnimmt, weil es etwa an einer Ladesäule parkt (der GLE fährt mit Plug-in-Hybrid-Antrieb), kann es andere Verkehrsteilnehmer vor Gefahren in der Nähe warnen. Eine Art Verkehrspolizist in Autoform sozusagen.
Neue Airbags und vorausschauende (Kinder-)Sicherheit
Weil sich der Innenraum in autonom fahrenden Autos ändert, ändern sich auch die Rückhaltsysteme. Im ESF 2019 macht sich zum Beispiel das Lenkrad klein und schafft so mehr Platz für den Fahrer. Der Airbag muss daher vom Lenkrad in den Instrumententräger umziehen. Die Seitenairbags verlegt Mercedes zudem in die Seitenwangen der Sitze, damit sie auch dann schützen können, wenn Fahrer oder Beifahrer ihren Sitz zum Liegestuhl machen. Dazu gibt es einen neuartigen Airbag für Hintensitzer, der den kompletten Oberkörper und den Kopf umschließt.
Vor allem dem Schutz kleiner Kinder soll eine Erweiterung des Pre-Safe genannten Systems dienen, das die Fahrzeuginsassen auf Unfälle vorbereitet. Dafür vernetzt Mercedes den Kindersitz mit den Sensoren des Autos. Droht ein Unfall oder das Auto ins Schleudern zu geraten, werden die Kindersitzgurte automatisch gestrafft. Ein spezielles Element, das blitzschnell aus dem Kindersitz fährt, soll zudem vor einem Seitenaufprall schützen.
Erwachsene Insassen profitieren unter Umständen von weiteren Pre-Safe-Features: So wird der Gurt präventiv gestrafft, wenn das Auto auf eine scharfe Kurve zusteuert, die der Fahrer unter Umständen unterschätzt hat. Schafft er es sicher durch die Kurve, wird der Gurt wieder entspannt. Droht ein Heckaufprall – etwa an einem Stauende – kann das ESF zudem kurz selbständig beschleunigen, um so den Aufprall unter Umständen noch zu verhindern oder zumindest zu mildern. Nebeneffekt: Durch die plötzliche harte Beschleunigung werden die Insassen in den Sitz und gegen die Kopfstützen gedrückt, was ebenfalls hilft, Unfallfolgen zu mildern.
Mehr Schutz für Fußgänger und Radfahrer
Mehr als die Fahrzeuginsassen sind Fußgänger und Radfahrer gefährdet. Für sie erweitert Mercedes einige Assistenzfunktionen. So warnt das ESF beim Parken und Rangieren vor Kollisionen mit Fußgängern und betätigt zur Not selbständig die Bremse. Beim Abbiegen werden jetzt ebenfalls Fußgänger und Radfahrer erkannt, die sich parallel zur Fahrtrichtung des ESF bewegen. Das Auto warnt und bremst, bevor es zu einem Zusammenstoß kommt. Die gefürchteten Abbiegeunfälle sollen damit reduziert werden.
Die Funktion des Querverkehrswarners erweitert Mercedes ebenfalls. So bremst das Auto notfalls, oder es wird die Beschleunigung limitiert, um einen Zusammenstoß zu verhindern.
Ein Helfer in der Not
Längst nicht alle Funktionen und Sensoren des ESF sind bereits ausentwickelt. Manche sind quasi seriennah, andere nur Visionen für die Zukunft. Zur letzten Kategorie gehört auch ein spezieller Assistent zur Absicherung einer Unfallstelle oder einer Panne. Denn, so Mercedes: „Für die eigene Sicherheit und die anderer Verkehrsteilnehmer kann das korrekte Aufstellen des Warndreiecks entscheidend sein“.
Weil das jedoch allzu oft vergessen wird, soll hier ein Roboter helfen. Er sitzt im Normalfall unter dem Auto und fährt bei einer Panne oder nach einem Unfall automatisch aus, um in gebührendem Abstand ein Warndreieck aufzustellen. Zusätzlich klappt ein Warndreieck auf dem Dach des ESF nach oben und warnt zusätzlich.
Falls die Schwere des Unfalls das Ausrücken des Roboters verhindert, warnt das Auto auch selbst. Eine „Notfallbeleuchtung“ im speziellen Lack vorne im Stoßfänger, an den Flanken des Autos und am Heck hilft, damit das Auto auch im Dunkeln für andere Verkehrsteilnehmer sichtbar bleibt. Dazu werden diverse Maßnahmen eingeleitet, die bei der Rettung helfen sollen. Der Notruf wird automatisch aktiviert, die Innenbeleuchtung wird eingeschaltet, Fenster und Zentralverriegelung werden geöffnet, per Infotainmentsystem werden hilfreiche Hinweise eingeblendet.
Aber gut, man will nicht hoffen, dass es soweit kommt. Dass eine kleine Panne schnell behoben ist oder ein Bagatellunfall schnell geklärt ist und man sich zügig auf den Weg machen kann. Aber, Vorsicht: Nicht das „Warndreieck“ vergessen. Oder abhängen, wenn es verzweifelt versucht, wieder unters Auto zu schlüpfen. Denn dann wird es richtig teuer.