Dacia Sandero SCe 75 (Facelift, ab 2017) im Alltagstest
Für 7.300 Euro baut Dacia Deutschlands günstigsten Neuwagen. Das Konzept geht auf, doch der Preis hat seinen Preis. Der Basis-Sandero im Test.
Jeder dritte Dacia-Käufer entscheidet sich im vergangenen Jahr für den Sandero. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und auch der Hersteller redet nicht lang um das schlagende Verkaufsargument herum. Als „günstigsten Neuwagen Deutschlands“ bewirbt der rumänische Autobauer den Kleinwagen. Der Preis: ab 7.301 Euro. Genau diese Variante rollt bei uns als Testwagen vor – der Dacia Sandero SCe 75 in Basisausstattung. Was der Kleinwagen für den Preis alles mitbringt? Wie er sich fährt? Und wo der asketische Ansatz nervt? Das klären wir im ausführlichen Alltagstest.
Dacia Sandero: Das Wichtigste in Kürze
- Günstigster Neuwagen auf dem Markt: 7.301 Euro
- Moderne Antriebstechnik aus dem Renault-Regal
- Spartanische Serienausstattung
- Großzügiges Raumangebot
Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
4,05 Meter ist der Sandero lang, das Platzangebot im Innenraum großzügig. Vor allem Fahrer und Beifahrer sitzen mit viel Platz. Allenfalls bei sehr groß Gewachsenen könnte es am Kopf eng werden, da die Sitze relativ hoch montiert sind und sich nicht in der Höhe verstellen lassen. Positiv wirkt sich das hingegen auf das Raumangebot darunter aus. Die Füße der Fond-Passagiere finden dort bequem Platz. Das Raumangebot im Fond geht in Ordnung, sofern man nicht mit vier Erwachsenen die lange Urlaubsfahrt antritt. Die äußeren Sitze der Rückbank sind mit Isofix-Halterungen für einfache Kindersitzmontage ausgestattet. Das ist in Neuwagen seit 2013 Vorschrift.
Als "Stepway" bekommt der Dacia Sandero einen Hauch Offroad-Charme.
Die Kofferraumklappe öffnet sich altmodisch per Drückschloss. 320 Liter fasst der Laderaum dahinter – ein guter Wert für einen Kleinwagen. Wird die Rückbank umgelegt, passen bis zu 1.200 Liter in den kleinen Dacia – ein Spitzenwert für einen Kleinwagen. Ein ebener Ladeboden entsteht dabei allerdings nicht. Zum Vergleich: Ein VW Polo lädt zwischen 350 und 1.125 Liter, ein Ford Fiesta zwischen 292 und 1.093 Liter.
Den Sandero bietet Dacia ausschließlich als Fünftürer an. Das macht zwar den Zustieg für Fondpassagiere bequemer, führt aber auch zu mehr Aufwand. Alle fünf Türen müssen wir mangels Zentralverriegelung einzeln auf- und abschließen. Seitenfenster werden vorne und hinten per Kurbel versenkt.
Innenraum, Materialien, Verarbeitung
Einfache Materialien ermöglichen niedrige Preise. Unterfütterter Kunststoff fällt damit raus. Dacia wählt für die Türinnenverkleidung, das Armaturenbrett und die Mittekonsole harten Kunststoff. Das ist in Ordnung. Doch am Lenkrad wünscht man sich Angenehmeres als schnödes Plastik.
Es ist rau und hart. Der Kunststoff fühlt sich besonders im Sommer, wenn die Hände leicht schwitzen, unangenehm an. Zudem ist an der Rückseite an einer Stelle das Material nicht bündig verarbeitet, was eine kleine Kante ergibt.
Im weichen, mäßig konturierten Schaumstoff der Sitze „versinkt“ man wie in einer alten Wohnzimmercouch. Die Schenkel-Auflage könnte etwas länger sein. Seitenhalt bieten die Sitze kaum, der gehört aber auch nicht zu den Must-haves eines Sandero.
Unten in der Mittelkonsole befindet sich eine 12-Volt-Steckdose. Darüber liegen die Drehregler für Belüftung und Heizung.
Antrieb, Motor, Getriebe
Für den Basis-Sandero bietet Dacia ausschließlich einen 1,0-Liter-Benziner mit 73 PS an. Damit ist man beim Ampelstart selten der Erste. Die kurze Übersetzung der Gänge und das geringe Fahrzeuggewicht von nur rund einer Tonne machen es trotzdem möglich, den Sandero im urbanen Umfeld einigermaßen flott zu bewegen. Besonders dann, wenn der niedrigere Gang dem spritsparenden vorgezogen wird.
Der 1,0-Liter-Benziner verfügt über eine Start-Stopp-Automatik. Der Motor schaltet immer dann ab, wenn er nicht gebraucht wird. Beispielsweise an der roten Ampel. Er springt auch problemlos wieder an, sobald der Fahrer auf das Kupplungspedal tritt.
Geschaltet wird im Sandero von Hand. Fünf Gänge mit einer recht kurzen Übersetzung stehen uns zur Verfügung. Das Kupplungspedal läasst sich nur recht schwer zu treten. Der Pedalweg ist sehr lang und der Druckpunkt befindet sich weit unten – das ist typisch für Dacia-Modelle. Der Sandero verlangt seinem Fahrer also Fußarbeit ab. Eine Automatik gibt es für den Einstiegsbenziner nicht.
Neben dem 1,0-Liter-Verbrenner bietet Dacia für den Sandero einen 1,0-Liter-LPG-Motor (101 PS) und zwei weitere Turbobenziner mit 90 und ebenfalls 101 PS an, von denen Dacia das 90-PS-Aggregat stets an ein Automatikgetriebe koppelt. Mit Diesel steht ein 1,4-Liter-Vierzylinder mit 95 PS zur Verfügung.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Dacia stimmt das Fahrwerk komfortabel ab. Selbst bei der Fahrt über Berliner Kopfsteinpflaster zeigt der Kleinwagen sich eher von der weichen Seite und keilt nicht allzu sehr aus. Weitere Unzulänglichkeiten im Straßenland bügelt der Sandero im Test ebenfalls handfest weg. All das erledigt er allerdings so, dass kein Gedanke an sportliches Fahren aufkommt. Auf welliger Fahrbahn tendiert der Kleinwagen etwas zum Nachschwingen.
In schnell gefahrenen Kurven neigt sich der Kleinwagen deutlich. Die Servolenkung leistet bei hohen Lenkwinkeln viel Widerstand und gibt generell wenig Rückmeldung. Zudem hat sie um die Mittelstellung herum viel Spiel. Maximal fährt der Sandero 158 km/h schnell. Gespräche mit den Mitfahrern werden ab 130 km/h schwieriger. Ab dann erfüllt ein lautes Dröhnen den Innenraum.
Infotainment, Radio, Bedienung
Dort, wo üblicherweise das Radio in der Mittelkonsole steckt, befindet sich in unserem Basis-Sandero ein weiteres Ablagefach. Immerhin: Wer ein Radio nachrüsten möchte, findet dahinter die passenden Anschlüsse. Ein Radio gibt es bei Dacia optional für 97 Euro.
Für höhere Ausstattungslisten bieten die Rumänen das Infotainment-System Media-Nav Evolution an. In der dritten Ausstattungsline („Comfort“) findet es als Option (350 Euro) den Weg in die Mittelkonsole. Serienmäßig ist es im höchsten regulären Ausstattungslevel “Stepway Prestige” dabei. Über den 7-Zoll-Touchscreen steuert der Fahrer unter anderem das DAB+-Radio und das Navi. Kartenmaterial liefert Dacia für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Wer sich auch durch West- und Osteuropa navigieren lassen will, zahlt 50 Euro Aufpreis. Telefoniert wird per Bluetooth-Freisprecheinrichtung und für die Mediennutzung lässt sich das Smartphone per Apple CarPlay oder Android Auto verbinden.
Mit der zweiten Generation wird der Nissan Juke optisch konventioneller.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Bei der Sicherheitsausstattung bietet der Sandero nur das Nötigste. ABS und ESP sind gesetzlich vorgeschrieben und demnach an Bord, ebenso Front- und Seitenairbags für Fahrer und Beifahrer sowie Isofix-Halterungen. Bei den Assistenzsystemen bietet Dacia einen Tempomaten und einen Geschwindigkeitsbegrenzer an. Beides ist Serie in den Ausstattungen „Comfort“ und „Stepway Prestige“. Daneben können Kunden für die höheren Ausstattungslevels (ab 289 Euro, ab Comfort) Parkpiepser für hinten und eine Rückfahrkamera ordern.
Preise und Ausstattung
Beim Mindestpreis von 7.301 Euro ist der Sandero konkurrenzlos. Nur der Mitsubishi Space Star (ab 10.225,55 Euro) hält da einigermaßen mit. Hinzu kommt: Regelmäßig ruft Mitsubishi Rabatt-Aktionen für sein kleinstes Modell aus - z. B. 7490 Euro bis Ende 2020, solange der Vorrat reicht. Im weiteren Umfeld sind noch Kia Rio (ab 13.290 Euro), Nissan Micra (ab 12.660 Euro) oder Ford Fiesta (ab 13.110 Euro) zu finden.
Zum Kampfpreis kommt der Dacia Sandero in der abgebildeten Basisausstattung „Access“. Den meisten Sandero-Käufern ist das zu viel Askese. Im Gesamtverkaufsvolumen macht die Access-Ausstattung gerade einmal vier Prozent aus. Heißt: „Deutschlands günstigsten Kleinwagen“ kauft in der Realität kaum jemand in dieser Form.
Laut Dacia greifen die meisten Sandero-Käufer zur höchsten regulären Ausstattung „Stepway Prestige“. Der Zusatz „Stepway” bezeichnet einen Sandero mit Offroad-Zitaten. Die Bodenfreiheit steigt um 4,5 auf 20,7 Zentimeter. An Radläufen, Stoßstangen und Schwellern gibt es Kunststoffverkleidungen. Außerdem gehört eine Dachreling zum „Stepway”-Trim. Als Dacia Sandero „Stepway Prestige” startet der Kleinwagen bei 12.175 Euro. Serie für die Ausstattungen „Comfort“ und „Prestige“ ist außerdem ein Bordcomputer mit Gesamt- und Tageskilometerzähler, Durchschnittsverbrauch, Restreichweite und Temperaturanzeige.
Rückfahrkamera und Parkpiepser stehen für unseren Basis-Sandero gar nicht zur Wahl. Wobei: Wir würden die Option nicht ziehen. Denn nach hinten und zu den Seiten hat der Fahrer im Sandero genug Übersicht.
Fazit
Der Sandero ist hinter dem SUV Duster das erfolgreichste Modell von Dacia. Und doch wirkt er ein wenig aus der Zeit gefallen. Die Lenkung, das Fahrverhalten und das Interieur erinnern an Autos der späten 1990er-Jahre. Das ist wohl der Preis für den Preis.
Klar, der Sandero ist günstig, bietet dafür in der Basis aber nicht besonders viel. Am Anfang unseres Tests sehen wir das noch (ganz) leicht philosophisch. Beim Sandero steht eben das „reine Autofahren“ im Fokus. Kein Infotainment, kein Navi, keine Klimaanlage bedeuten eben auch: keine Ablenkung. Im Basis-Sandero unterwegs zu sein, heißt: Der Blick klebt auf der Straße, die schwitzigen Hände am Lenkrad.
Klar ist aber auch: Langfristig reicht der asketische Ansatz nicht, um glücklich zu werden. Dabei braucht es gar nicht viel, um den Sandero deutlich aufzuwerten. Für die längere Autofahrt würde uns schon ein Radio glücklich machen. Für den heißen Sommer eine Klimaanlage. Es geht beim Sandero um Notwendiges, nicht um Luxus.
Technische Daten Dacia Sandero SCe 75
Modell | Dacia Sandero SCe 75 |
---|---|
Motor | 1,0-Liter-Benziner |
Leistung | 73 PS (54 kW) bei 6.300 U/min |
Drehmoment | 97 Nm bei 3.500 U/min |
Antrieb | Fünfgang-Schaltgetriebe, Vorderradantrieb |
0-100 km/h | 15,1 s |
Geschwindigkeit | 158 km/h |
Verbrauch | 5,0 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 113 g/km |
Länge | 4.057 mm |
Breite | 1.733 mm |
Höhe | 1.523 mm |
Radstand | 2.589 mm |
Kofferraumvolumen | 320-1.200 Liter |
Basispreis (Testwagenpreis) | 7.301 Euro |