Billig ist nicht genug - was Dacia erfolgreich macht
2005 kommt eine rumänische Billig-Limousine auf den deutschen Markt. Nach programmiertem Erfolg klingt das nicht. Wir klären, warum Dacia trotzdem einer wurde.
Hier müsste im Grunde ein Nachruf auf Dacia stehen. Ein Historien-Text, der an den Versuch erinnert, mit einem einfachen, französisch-rumänischen Auto den deutschen Markt zu erobern. Damals, vor ziemlich genau 15 Jahren. Das Besondere an diesem Jubiläum ist nicht die Zahl 15. Sondern, dass immer noch gezählt wird. Und dass Dacia für Deutschland immer mehr zu einem etablierten Hersteller geworden ist. Spätestens die 80.035 im Jahr 2019 verkauften Exemplare torpedieren viele klassische Lehrmeinungen zu dem, was am Automobilmarkt für junge Marken möglich sein kann. Und wie wichtig dem deutschen Käufer ausgeklügelte Ingenieurskunst zum Premium-Preis ist.
Der günstigste Weg zum SUV führt über Dacia. 2018 schicken die Rumänen das Erfolgsmodell in die zweite Generation.
Am Preis allein hängt der Erfolg von Dacia jedenfalls nicht. Denn günstige Modelle anderer Hersteller floppen im selben Zeitraum oder kommen gar nicht erst nach Deutschland. Dacia selbst als Dumpingpreis-Anbieter aus dem Renault-Konzern ist in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten nie so preiswert wie vor dem Marktstart angekündigt. Die Erfolgs-Grundlage basiert auf einer raffinierteren Planung. Die sich gut an den drei wichtigsten Dacia-Modellen zeigen lässt.
Dacia Logan I (ab 2005): Die erste Visitenkarte
Im Schnitt lässt sich sagen: Neugründungen und Umpositionierungen gelingen Automarken allenfalls schleppend. Gegen die Bekanntheit etablierter Hersteller (knapp 99 Prozent in gestützten Befragungen) muss man erst einmal ankommen. Tesla gelingt das seit 2008. Aber Genesis, Infiniti oder Aiways kennt in Deutschland fast niemand. Selbst Citroëns Nobel-Ableger DS ist nach wie vor eher unbekannt. Renault fährt mit der 1999 erworbenen Marke Dacia zwar vor 15 Jahren eine simplere Schiene, steht aber vor einem ähnlichen Problem. Den rumänischen Hersteller mit Ursprung in den 1960er-Jahren kennt in Westeuropa niemand wirklich. Lange fuhren die „rumänischen Volkswagen“ nur hinter dem Eisernen Vorhang.
Der erste Logan von 2005 ist daher eine Visitenkarte. Sie hat die Form eines Stufenhecks und nicht die Gestalt eines Preisschilds. Der Basispreis von 7.200 Euro zündet medial vor allem deshalb, weil es dafür ein echtes Auto gibt. Kein vierrädriges Minimal-Konzept, sondern eine Kompakt-Limousine von mehr als vier Metern Länge. So gelingt dem Logan, was sonst eher bei technisch aufwendigen Sportwagen passiert – und was bei Tesla viel zum Erfolg beiträgt: Das Interesse an dem auf der betagten Clio-Plattform B0 basierenden Logan übersteigt seine Bedeutung am Markt. Zumindest in Deutschland, wo Stufenheck-Limousinen am Aussterben sind. Wirtschaftlicher Erfolg kommt ab 2006 mit der Kombi-Variante Dacia Logan MCV. Aktuell bietet Dacia die zweite Generation des Logan an (seit 2012). Und zwar in Deutschland nur noch als Kombi. Der Basis-Preis bleibt mit knapp 8.300 Euro spektakulär moderat für ein Auto dieser Größe – spartanische Ausstattung hin oder her.
Sandero II (seit 2012): Günstig heißt nicht flippig
2008 startet der Kleinwagen Sandero. Er treibt das Günstig-Konzept auf die Spitze und gilt als billigstes Auto auf dem Markt. Seit 2012 bietet Dacia den zweiten Sandero an. In der nackten Basisvariante kostet der Sandero II aktuell 7.290 Euro. Damit liegt das Modell mit den ungefähren Abmessungen eines VW Polo am nächsten an der Ursprungs-Idee: Kurz nach der Übernahme von Dacia verspricht Renault-Vorstandschef Louis Schweitzer ein „5.000-Euro-Auto“. Den anvisierten Kampfpreis erreicht Dacia in den 15 Jahren unter französischer Führung allerdings nie.
Jedoch zeigt die jüngere Automobilgeschichte: Es geht eher um den richtigen Ansatz als um den letzten Euro. Unter anderem verdeutlicht das Indiens gescheitertes Billig-Auto Tata Nano. Mit viel finanziellem Einsatz hält der indische Hersteller 2008 den versprochenen Basis-Preis von umgerechnet 1.500 Euro. Abnehmer findet der Kleinstwagen trotzdem nur wenige. Volkswagen bleibt mit dem günstigen Up-Vorgänger Fox (damals ab rund 9.660 Euro) ebenfalls hinter den Erwartungen. Der Inder und der Wolfsburger sind verschieden, ihr Problem aber ist vergleichbar: Es ist ein schmaler Grat auf der günstigen Schiene. Erstens: Es darf nicht “billig” werden. Zweitens: Wer wenig zahlt, will tendenziell das Gegenteil von bunt und flippig. Davon bieten diese Kleinstwagen oft zu viel. Dacia schwimmt mit dem Sandero im optischen Mainstream – und beweist damit Gespür. Mit rund 25.000 verkauften Exemplaren überholt der Sandero 2019 sogar den Renault Clio.
Als "Stepway" bekommt der Dacia Sandero einen Hauch Offroad-Charme.
Dacia Duster II (seit 2017): Wie viel Technik braucht der Autofahrer?
Dacias frischestes Modell ist der Duster. Die zweite Generation des Kompakt-SUVs kommt 2017 auf demselben technischen Unterbau wie sein Vorgänger. Und auf der gleichen Basis wie jeder andere Renault-Dacia vor ihm. Es handelt sich in Grundzügen immer noch um die B0 genannte Renault-Plattform, wie sie Dacia dem ersten Logan unterschiebt.
Damit fehlt dem zweiten Duster die technische Grundlage für größere Innovationen. Dacia beschränkt sich daher auf Verbesserungen im Detail. Beim Duster II betrifft das die Lenkung und die Seitenneigung. Der Kunde wollte weniger Widerstand am Steuer und weniger Neigung in der Kurve. Relativ weich fühlt sich Dacias SUV immer noch an. Viele SUVs fahren sportlicher, manche komfortabler. Das Entscheidende ist: Der Abstand gerät den Rumänen in beiden Fällen vertretbar, gemessen an der Preisdifferenz. Eine Einordnung, die auf die meisten Modelle des Portfolios zutrifft, und die Frage aufwirft: Wie viel technische Raffinesse braucht der durchschnittliche Fahrer wirklich?
Fazit: Es geht nicht nur um den Preis
In den vergangenen 15 Jahren verkauft Dacia zwar vordergründig über den Preis. Doch das tun andere auch. Entscheidend ist, wie die Renault-Tochter diesen Günstig-Ansatz umsetzt. Unterschied: Dacia-Preise sind kalkulierbar – für Händler und Kunden. Rabatte sind eher selten. Bodenständige Autos, die alltägliche Erwartungen erfüllen? Klingt banal. Aber nicht jeder Autofahrer will ein Assistenten-Bündel oder ein fahrdynamisch ausgeklügeltes Modell. Gleichzeitig soll ein einfaches Auto nicht aussehen wie in der Kinder-Ecke entworfen. So viele Möglichkeiten hält der Markt dann gar nicht mehr bereit. Und deshalb wird es weitergehen für Dacia. Demnächst sogar elektrisch.