Citroën Ami Elektroauto 2020: Test
Citroëns Ami ist ein radikales Stadtauto, das den Smart wie ein überdimensioniertes Monstrum wirken lässt. Erster Test im Würfel, der nur 45 km/h schafft.
Zwischen Renault Twizy und Smart EQ Fortwo passt noch ein kleiner Freund (frz. „ami“). Der Citroën Ami ist zwar mehr Auto als der Renault. Die Limitierung auf 45 km/h und das radikale Leichtbau-Konzept schaffen jedoch klaren Abstand zum Smart und zu echten Kleinwagen. 471 Kilo wiegt der Zwerg, der mit Roller-Führerschein gefahren werden darf – nicht einmal die Hälfte eines Opel Corsa also. Reichen die 6 kW (8 PS) dem 2,41 Meter kurzen Gefährt aus, um im Stadtverkehr mitzuschwimmen?
Citroën Ami: Das Wichtigste in Kürze
- 2-sitziger Stadtflitzer mit 2,41 Metern Länge
- 45 km/h, max. Reichweite 75 km
- Führerschein AM, ab 16 Jahren
- Preis ca. 6.900 Euro bzw. ca. 20 Euro Leasingrate
- Marktstart 1. Quartal 2021
Der emissionsfreie Flitzer für die Stadt.
Der Berliner ist einiges gewohnt. Wer sich am Kottbusser Tor eine Badewanne vor den Bauch bindet und Opernarien singt, kann nicht damit rechnen aufzufallen. Wenn aber dieser – ja, was ist das? – daherrollt, schaut der Hauptstädter auf. Nur kurz natürlich, denn: Neue Mobilitätskonzepte werden in Berlin seit Jahren im Dutzend erprobt. Nun also ein elektrischer Würfel. Manchem Passanten dämmert womöglich: Das ist die Zukunft. Eine passende Antwort auf den zu großen Flächenbedarf unserer Autos, auf die für Stadtzwecke sinnlos großen Akkus und Motoren aktueller E-Fahrzeuge von Audi E-Tron bis Tesla Model 3. Auch auf steigende Neuwagenkosten, denn er kostet mit ca. 6.900 Euro weniger als ein Dacia Sandero.
Der Citroën Ami ist rechtlich gesehen ein Elektro-Quad und liegt formal nah an Microcars wie den Aixam „Moped-Autos“. Citroën setzt dieses Konzept aber radikaler um – und günstiger. Ein Aixam City Pack startet bei 11.300 Euro. Der Ami kostet in Frankreich ab 6.000 Euro mit Förderung, für die Topversion Vibe stehen 7.360 Euro auf der Rechnung. Für Deutschland liegt noch keine Preisliste vor – von der Umweltprämie profitiert der Zwerg jedoch nicht. Die gilt nur für größere, schwerere Fahrzeuge mit Pkw-Zulassung.
Citroën Ami: Antrieb und Technik |Antrieb und Technik
Die Technik ist simpel: Im 2,41 Meter langen und 1,39 Meter breiten Würfel sitzen zwei Passagiere nebeneinander. Die Türen öffnen gegenläufig, so kann Citroën das gleiche Bauteil auf beiden Seiten verwenden. Für den Antrieb sorgt ein 6 kW (8 PS) „starker“ Elektromotor. Der Akku fasst lediglich 5,5 kWh, weniger als ein Drittel im Vergleich zum Elektro-Smart. Dafür wiegt er unter 70 Kilo, das ganze Fahrzeug kommt auf 471 Kilo. Reichweite: 75 Kilometer.
Der Energieverbrauch liegt mit umgerechnet 11,9 kWh/100 km erstaunlich hoch, wo doch so wenig Masse bewegt wird. In der Stadt, wo häufig gebremst wird, verlängert eine Bremsenergie-Rückgewinnung (Rekuperation) die Reichweite. Beim Thema Nachladen hält es der Citroën Ami wie der heimische Toaster: Aus einer Vertiefung auf der Beifahrerseite entrollt der Ami-Freund ein schlichtes Stromkabel mit Schuko-Stecker. Am Haushaltsstrom dauert das Laden rund drei Stunden. In Deutschland will Citroën zusätzlich einen Adapter für die Wallbox bzw. die Wechselstrom-Ladesäule anbieten. Dann könnte es theoretisch doppelt so schnell gehen – konkret werden die Franzosen hier noch nicht.
Der Flitzer für die Stadt darf bereits ab 16 Jahren gefahren werden.
Citroën Ami: Innenraum und Platzangebot |Innenraum und Platzangebot
Die dünne, hinten angeschlagene Fahrertür öffnet mit einem Druck auf den daneben angebrachten Zylinder. Beide Türen im Citroën Ami schließen selbstständig, eine Zentralverriegelung gibt es nicht. Das Lenkrad ist starr, der Fahrersitz nur oder immerhin (wie man´s nimmt) in der Länge verstellbar. Es gibt Gurte, weitere Sicherheitsfeature wie ABS hingegen nicht. Da der Ami im rechtlichen Sinne kein Auto ist, sind die aber auch nicht vorgeschrieben. Das spartanische Armaturenbrett besteht aus schlichtem Hartplastik. Trotzdem: Wer einmal den Renault Twizy gefahren ist, fühlt sich hier eher wie in einem Auto. Im Twizy sitzen die Passagiere hintereinander und deutlich beengter, die Türen bieten nur provisorischen Schutz vor den Elementen. Der Ami hat richtige Türen, eine Heizung und Lüftung sowie ein luftiges Raumgefühl mit viel Platz und großen Glasflächen in alle Richtungen. Vor dem Beifahrersitz befindet sich der „Kofferraum“. Ungefähr ein Handgepäckkoffer kommt unter. Hinter den Sitzen ist der Zugang zur Wartungsklappe, wo zum Beispiel Wischwasser nachgefüllt wird. Infotainment gibt es nicht, dafür einen Smartphone-Halter mit USB-Ladebuchse. Daneben ist ein Ablagefach, in das genau ein USB-Lautsprecher aus der „Ami-Kollektion“ passt – reicht, sollte man nur beim Bordsteinparken nicht im Auto vergessen.
So fährt der Citroën Ami
Wer im Ami um die Häuser stromert, ist baff. Erstaunlich, was man im Auto alles weglassen kann. Keine Servolenkung? Kein Problem in so einem Leichtgewicht. Im Stand kurbeln muss man nicht, so eng wird die Parklücke kaum einmal. Kein Innenspiegel? Außenspiegel geben Aufschluss über Verkehr auf den Nebenspuren, die große Heckscheibe gibt beim Schulterblick freie Sicht auf den Radweg und den nachfolgenden Verkehr. Kein Lichtschalter? Ganz einfach: Die kleinen Schweinwerferchen sind an, wenn das Auto an ist, und aus, wenn es aus ist. Keine Fensterkurbeln, geschweige denn elektrische Fensterheber? Die Klappfenster bringen echtes Enten-Feeling und sparen jede Menge Gewicht. Keine Klimaanlage? Hatte die Ente auch nicht. Nur an die fehlende Blinker-Rückstellung gewöhnen wir uns nicht sofort. Nach dem Abbiegen blinkt es, bis der Fahrer den Blinker manuell zurückstellt.
Das Anfahren im Elektro-Würfel fühlt sich zäh an, mehr Drehmoment würde den Spaßfaktor heben. Andererseits: Im Stadtverkehr fährt man selbst mit 8 Elektro-PS schneller von der Ampel weg als andere mit 180 Diesel-PS. Dass der Vortrieb bei 45 km/h endet, ist ungewohnt – spätestens dann hat der Diesel-Fahrer einen wieder. Bereits in den Außenbezirken empfiehlt es sich, die linke Spur zu meiden.
In Berlin Mitte, wo das Tempo auf vielen großen Straßen bereits auf Tempo 30 limitiert ist, scheinen 45 km/h Spitze ausreichend flott. Tatsächlich bietet der Ami damit im fließenden Verkehr keine Reserven für einen flotten Spurwechsel. Meist gilt es, höflich zu warten, bis ein anderer Verkehrsteilnehmer den Spurwechsel ermöglicht. Auch werden wir einige Male von Lkw angehupt, denen auf Tempo-50-Strecken unsere 45 km/h zu langsam sind. Fairerweise sei gesagt: Auch 50er-Roller fahren nicht schneller. Sie lassen sich allerdings leichter überholen.
Bei Höchstgeschwindigkeit klingt das Motörchen bereits recht angestrengt. Wie eine Straßenbahn im Notlaufprogramm. Das Fahrwerk wirkt straff und schlicht, Rückmeldung vom Straßenbelag vermissen wir nicht. Krater im Asphalt schluckt es dennoch erstaunlich gut. Die Integralsitze ohne verstellbare Lehne sind hart und wie aus einem Prototyp. Für die Langstrecke wären sie unbefriedigend. Unglaublich mutig, dass Citroën so etwas in Serie einbaut. Gepolstert sind die Sitze quasi gar nicht. Auch darüber lässt es sich bei 75 Kilometern Reichweite hinwegsehen.
In 3,5 Sekunden beschleunigt der Stadt-Flitzer von 0 auf 50 km/h.
Wer soll den Citroën Ami kaufen?
Citroën geht beim Ami einen mutigen Weg. Wirklich kleine, einfache Elektroautos für die Stadt sind bislang ein unterentwickelter Markt. In der Stadt braucht niemand einen großen Motor oder einen großen Akku und nur selten eine große Karosserie. Der Ami kann sicher keinen Erstwagen ersetzen – aber wer ohnehin mit dem Gedanken spielt, in der Stadt das Auto abzuschaffen, der findet hier eine ganzjahrestaugliche Ergänzung zu Fahrrad oder Roller. Der Citroën Ami bietet bei ähnlichem Preis mehr Auto als ein Twizy. Er ist natürlich viel weniger Auto als ein Smart, kostet dafür aber weniger als ein Drittel.
Damit fährt er in eine fast unbesetzte Nische. Vielleicht existiert hier auch deshalb keine staatliche Förderung, weil es bisher praktisch kein Angebot gibt. Für den Carsharing-Einsatz allerdings scheint der Akku etwas klein: Wir fahren rund 25 Kilometer durch die Stadt, danach ist der Akku noch gut halb voll. Soll das Auto den ganzen Tag im Einsatz sein, muss der Ami zwischendurch nachladen.
Citroën legt Wert darauf, dass sich der Ami mit wenigen Klicks konfigurieren und bestellen lässt. Deshalb vertreiben die Franzosen das Auto in Frankreich nicht nur über etwa 100 Citroën-Händler, sondern auch über zwei Einzelhandelspartner: Bei Fnac und über eine Supermarktkette lässt sich das Auto ebenfalls ordern. Erste Erfahrung: Fast 40 Prozent der Kunden bestellen ihren kleinen Freund gerne im Kaufhaus oder Supermarkt. 65 Prozent lassen ihn direkt nach Hause liefern. 76 Prozent entscheiden sich für den Kauf und gegen das Leasing. In Deutschland sucht Citroën ebenfalls einen Vertriebspartner. Wer in Richtung großer Elektromärkte oder Supermarktketten denkt, liegt richtig.
Bei Fahrkomfort, Alltagstauglichkeit, Sicherheit (Airbags, ABS etc.) und Haltbarkeit kann ein gebrauchter Elektro-Smart eine gute Alternative sein. Bereits ab 5.000 Euro gibt es bei mobile.de gut erhaltene Zweisitzer, allerdings mit ein paar Jahren und Kilometern auf dem Blech.
Die Idee kleiner, günstiger Elektroautos für den reinen Stadteinsatz ist naheliegend, aber bisher erfolglos. Der Twizy von Renault bleibt eine Kuriosität, andere Hersteller wie Audi oder Opel verbannen ihre entsprechenden Studien bislang in die Asservatenkammer. Citroën unternimmt also einen neuen Anlauf. Ob die Zeit nun reif ist für den Ami?
Der elektrifizierte Corsa ist Opels Startschuss in die Elektro-Offensive.
Citroën Ami: Technische Daten
Modell | Citroën Ami |
---|---|
Antrieb | Elektromotor |
Leistung | 6 kW (8 PS) |
Akku | Lithium-Ionen, 5,5 kWh |
Verbrauch | 119 Wh/km (WMTC/Motorrad-Zyklus) |
Reichweite | 75 km (WMTC/Motorrad-Zyklus) |
Ladezeit | ca. 3 h |
Geschwindigkeit | 45 km/h |
Länge | 2-410 mm |
Breite | 1.39 mm |
Höhe | 1.520 mm |
Wendekreis | 7,20 m |
Leergewicht | 471 kg |
Klasse | L6e-BP |
Führerschein | AM (ab 15/16 Jahren je nach Bundesland) |
Marktstart | Q1 2021 |
Den Citroen Ami in Bildern
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