Camper-Sharing von Paul Camper im Praxistest
Bei Camperbörsen gibt es günstige Wohnmobile von privat für die Urlaubsreise. Doch sie sind meist älter als beim klassischen Vermieter. Ein Erfahrungsbericht.
Die Inneneinrichtung aus Sperrholz und rundum viel Kunststoff: Wohnmobile sind schon ab Werk recht fragile Konstrukte. Da ist es doch erstaunlich, wie wacker sich der 22 Jahre alte Dethleffs Globetrotter sogar bei widrigen Straßenverhältnissen schlägt. Unterwegs auf den buckeligen Pisten an der polnischen Ostseeküste scheppert der Aufbau zwar bedrohlich. Besteck und Geschirr in den Schränken werden bei jedem Schlagloch aufs Neue sortiert. Doch das Gebälk hält und der angepeilte Übernachtungsplatz wird sicher erreicht.
Die Campingbranche boomt. Über eine halbe Million Wohnmobile sind zum Jahresbeginn 2019 in Deutschland zugelassen, so viele wie nie. Seit einiger Zeit kann man Reisemobile auch über Sharing-Portale ausleihen. Nach dem Vorbild von Airbnb bieten Camperbörsen wie ShareACamper, Yescapa oder Campanda Urlaubsfahrzeuge aus privater Hand an. Die Auswahl reicht vom kompakten VW Bus bis zum vollintegrierten Luxusliner mit allerlei Komfort.
Dethleffs Globetrotter von Paul Camper
Die Idee: Wohnmobile sind in der Anschaffung teuer, stehen sich die meiste Zeit aber die Reifen platt. Über die Vermietung kann man einen Teil der Kosten wieder hereinholen. Die Nutzer wiederum müssen sich für den Urlaub kein eigenes Fahrzeug kaufen, sondern können es online über eine Sharing-Plattform mieten. Das ist in der Regel günstiger, als sich ein Wohnmobil über einen gewerblichen Anbieter zu leihen. Klassische Reisemobil-Vermieter sind Indie Campers, McRent oder Erento.
Für die Sharing-Testreise nach Polen stellt das Unternehmen Paul Camper drei Wochen ein recht geräumiges Alkoven-Wohnmobil zur Verfügung. Mit über 5.000 Fahrzeugen im Angebot ist das Berliner Start-up eine der größten Camperbörsen.
Der Dethleffs Globetrotter auf Basis eines Fiat Ducato wurde 1997 erstzugelassen und wartet am Rande Berlins auf seine Abholung. Wegen des alten Diesels bekommt das Fahrzeug keine grüne Plakette für die Innenstadt. Innenstadt-Bewohner müssen ihren Hausrat also mit eigenem Pkw nach Brandenburg bringen und das Urlaubsmobil dort beladen.
Mit Solarmodul für Unabhängigkeit
Bevor es losgehen kann, gibt der Vermieter eine knappe technische Einweisung. Gekocht wird am Gasherd, das Bordnetz kühlt unterwegs den Kühlschrank. Ein Solarmodul auf dem Dach ist ein nettes Extra. Die Nachrüstlösung liefert Gratis-Strom, mit dem man autark abseits eines Campingplatzes stehen könnte. Zumindest mal für eine Nacht. Legal ist das in den meisten europäischen Ländern allerdings nicht. In Kroatien etwa drohen Wildcampern hohe Strafen.
Der Innenraum im betagten Dethleffs-Wohnmobil zeigt sein Alter, sieht aber gepflegt aus. Die Ausstellfenster sind empfindlich, die Scharniere brechen leicht. Die Verdunklungsrollos sind teils eingerissen. „So ein Fenster kostet neu 500 Euro“, warnt der Vermieter. Bei der Bedienung sollte man also vorsichtig sein. Und wenn man kleine Kinder an Bord hat, gut auf sie aufpassen. Denn die testen gerne einmal sämtliche Funktionen eines fahrenden Urlaubsdomizils.
Dann wird endlich der Motor gestartet und die Reise geht los. Gemütlich zuckelt der 3,5-Tonner Richtung Nordosten. Der 2,5-Liter-Diesel nagelt laut, verrichtet aber ohne Mucken seinen Dienst. Der Motor hat erst 130.000 Kilometer gelaufen, das ist für sein Alter nicht viel. Zudem ist der Zahnriemen laut Vermieter frisch gewechselt.
Der Zustand muss dokumentiert werden
Wer über Paul Camper ein Reisemobil vermieten möchte, muss versichern, dass es in technisch einwandfreiem Zustand ist. „Das überprüfen wir zum einen in den Profilen, unter anderem mit dem Upload der Hauptuntersuchungsergebnisse“, sagt Plattform-Gründer Dirk Fehse. „Außerdem setzen wir auch auf unsere Community, die soziale Kontrolle und die Camper-Ehre.“
Auf der Testreise geht es nach einem Paddel-Wochenende in Mecklenburg-Vorpommern weiter an die polnische Küste. Während Berlin bei bis zu 40 Grad schwitzt, sind die Temperaturen an der Küste angenehm. Das ist gut, denn eine Klimaanlage hat unser 22 Jahre alter Globetrotter nicht an Bord.
Auch Airbags gibt es nicht, die Fenster werden klassisch von Hand gekurbelt. Wer Komfort- und Sicherheitsassistenten gewohnt ist, muss Abstriche machen. Paul Camper bietet auf seiner Plattform aber auch viele Wohnmobile mit moderner Ausstattung.
Für den alten Dethleffs Globetrotter verlangt der Vermieter in der Hauptsaison 100 Euro pro Nacht, ein stolzer Preis. Dafür bekommt man auch eine hübsche Ferienwohnung aus Stein, nicht aus Sperrholz. Die hat aber keine vier Räder. Den Mietpreis bestimmt bei Paul Camper jeder Fahrzeugbesitzer selbst. Pro Buchung gehen 15 Prozent an das Berliner Start-up.
Auf das Übergabeprotokoll achten
Die Fenster bleiben während der Reise heile. Dafür geht ein Scharnier der Gasherd-Abdeckung kaputt. Auf dem Campingplatz in Łeba mit seinen beeindruckenden Sanddünen bricht beim Abwaschen der Wasserhahn der Spüle. Und bei Kolberg quittiert die Kabelrolle für die externe Stromversorgung ihren Dienst.
Solche Defekte sind nicht dramatisch und passieren im Campingalltag. Unklar ist oft, ob natürlicher Verschleiß oder eigenes Verschulden die Ursache ist. Wichtig ist beim Camper-Sharing daher, sich vor der Abfahrt ausreichend Zeit für die Fahrzeugbesichtigung zu nehmen. Jeder Defekt und jede Beule sollten penibel im Übergabeprotokoll festgehalten werden. Zu empfehlen ist ferner eine Zusatzversicherung, die Paul Camper gegen Aufpreis anbietet. Sie reduziert die Selbstbeteiligung im Schadensfall von 1.500 auf 250 Euro. Wenn ein Fahrzeug liegen bleibt, greift der europaweite Pannenschutz.
Wir brauchen ihn nicht, denn der Fiat-Diesel verrichtet stoisch seinen Dienst. Trotz des Alters geht es mit dem alten Globetrotter in Polen gut voran. Nach einer Rundfahrt entlang der Küste bis Danzig und zurück stehen am Ende 1.300 Kilometer mehr auf dem Tacho – und allerhand Erlebnisse im Reisetagebuch.