BMW 700 (1959): Klassiker mit Motorrad-Motor
Mit dem BMW 700 boxte sich BMW 1959 aus der Krise. Wie fährt der skurrile Wirtschaftswunder-Kleinwagen mit Motorradmotor und 30 PS? Lies jetzt mehr.
Aus dem Heck brummt es, und zwar ziemlich laut. Schon bei einem leichten Gasstoß neigt sich die Karosserie zur Seite. Bei diesem BMW ist vieles anders als bei anderen Modellen der Marke. Und doch ist der 700er ein typischer BMW mit einer ganz speziellen Geschichte.
1958 bricht der Absatz von BMW dramatisch ein. Motorräder sind in der Wirtschaftswunderzeit nicht mehr gefragt. Wer etwas Geld hat, kauft sich ein Auto, aber keinen BMW-Boxer mehr. Auch die Isetta, eine Mischung aus Motorrad und Roller, gefällt den anspruchsvolleren Kunden nicht mehr. Das schließt ihren Nachfolger Typ 600 mit ein. Das Topmodell BMW V8 sollen gehobene Manager fahren, doch BMW fährt damit nur Verluste ein.
1929 rollt BMWs erstes Serienautomobil mit dem Namen "DA 2" vom Band.
Der bayerische Autohersteller steht kurz vor der Übernahme von Daimler-Benz. Was der Hersteller aus München benötigt, ist ein erfolgreiches, profitables Automodell. Es muss zwischen den beiden Extremen Isetta und V8 angeordnet sein. Ein Auto für die breite Masse. Eines, mit dem BMW wieder Geld verdienen und damit unabhängig bleiben kann.
Der BMW 700 ist genau das. Von einem österreichischen Händler initiiert und mit einem italienischen Designer erdacht, bietet der 700er zwei Türen, große Fenster und Platz für vier Erwachsene mitsamt Gepäck. Der Kofferraum sitzt vorne, darunter befindet sich ein 32 Liter fassender Tank. Besonderer Clou: Die Zweikreis-Belüftungsanlage kann den Fußraum beheizen und gleichzeitig dem Kopf kühle Frischluft zufächeln. Als Antrieb dient der gebläsegekühlte Motorradmotor der BMW R67 im Heck.
Der BMW 700 ist ein flinker Kleinwagen, den es als Coupé, Cabriolet und als familientaugliche Limousine gibt. Im Motorraum leistet der frisierte 700-ccm-Zweizylindermotorradmotor 30 PS. Daneben sitzen zwei Zündspulen und ein Vergaser, mehr nicht. Die Kraft wird direkt auf die Hinterachse übertragen, als Fahrwerk dient eine überarbeitete Version des alten BMW 600er Fahrwerks. Leistung und Fahrwerksauslegung reichen für Autobahngeschwindigkeiten bis 120 km/h.
Viel wichtiger als die Höchstgeschwindigkeit ist ohnehin das elegante Blechkleid. Bereits im Juni 1959 präsentiert der italienische Designer Giovanni Michelotti seinen ersten Entwurf, ein schickes Trapezdesign. Statt einer Knubbelhaube wie bei Isetta und VW Käfer entwirft der Designer einen klassischen Bug, zwei Seitentüren und ein kantiges Stufenheck. Im hier gezeigten 700 LS Luxus von 1964 schafft eine um 32 Zentimeter verlängerte Karosserie mehr Platz für die Passagiere.
Erstmals verwendet BMW eine selbsttragende Karosserie. Das spart Gewicht. Nur 630 Kilogramm wiegt der Zweitürer, der LS später 680 kg. Technisch entspricht der BMW 700 ansonsten weitgehend der Isetta 600. Dadurch bleibt er preiswert in der Anschaffung und im Unterhalt, bietet aber eine weniger biedere Optik als Autos von Ford, Opel oder VW. Auch der Motorsport hilft beim Verkauf: Motorsportlegende Hans Stuck (Vater von Hans-Joachim) gewinnt auf einem BMW 700 die Bergmeisterschaft der Saison. Kurz: Der 700er schafft, was BMW erreichen wollte. Das Modell verkauft sich sehr gut. Schon 1960 rettet sich BMW wieder in die schwarzen Zahlen.
So fährt sich der BMW 700
Der Erfolg des 700 ist auch aus heutiger Sicht plausibel. Der BMW bietet viel Platz und sogar “Freude am Fahren”. Wird der Zündschlüssel in der Mitte gedreht, dauert es nur einen kurzen Augenblick, bis der Motor im Heck anspringt. Schnell wird es im Innenraum laut. Der Zweizylinder-Motorradmotor benötigt viel Drehzahl, um genug Leistung zu liefern. Er vibriert stark, es zischt und knattert im Heck.
Doch nach ein paar Metern und zügigem Hochschalten übertönen die Windgeräusche den Motor. Bei mittlerer Drehzahl hängt der Boxer gut am Gas, vor Kurven wird kurz heruntergeschaltet und gleich wieder beschleunigt. Ein wenig Übung erfordert der BMW 700 im heutigen Verkehr. Der Fahrer muss den Schwung mitnehmen, um mitschwimmen zu können. Hat er einmal den Dreh raus, braucht er keine Angst davor zu haben, die schmalen 135/80-R12-Reifen an ihre Grenze zu bringen.
Von 1950 bis 1967 lief der Kult-Bulli vom Band. Auf mobile.de werden vom Volkswagen T1 derzeit rund 120 Fahrzeuge angeboten.
Wer das dünne Bakelit-Lenkrad fest umgreift und sich tief in die weichen Sitze presst, wird den Anschnallgurt nicht vermissen. Der Blick wandert dann nur noch zwischen der Straße und den beiden hübschen Rundinstrumenten hin und her. Die vier Gänge lassen sich schnell und ohne hinzusehen schalten. Das eher weich abgestimmte Fahrwerk bügelt tiefe Löcher einfach weg, die schmalen Reifen ignorieren Spurrillen tapfer. Einzig das Anfahren an der Ampel sorgt für etwas Herzklopfen. Selbst bei schnellem Einkuppeln und anschließendem Vollgas kommt der 700er nicht richtig vom Fleck – von 0 auf 100 km/h vergehen mehr als 30 Sekunden, selbst bis 50 km/h vergeht eine gefühlte Ewigkeit.
Damit sind damalige Kunden aber immer noch gut unterwegs. Ein VW Käfer ist nicht schneller. Im Käfer 1200 Standard leistet ein Vierzylinder-Boxer damals 30 PS und treibt ihn auf bis zu 112 km/h hoch. Dafür bietet der Käfer weniger Platz im Innenraum und sieht vor allem aus wie ein Vorkriegsmodell. 1959 kostet er 3.790 Mark. BMW verlangt für den 700er mindestens 4.760 Mark, die Luxusversion kostet 4.995 Mark und der LS Luxus kostet 1962 sogar 5.320 Mark.
Mit dem 700 LS Luxus entwickelt BMW die Serie weiter. Der Radstand wächst, der Motor bekommt mehr Luft, Motor- sowie Hinterradaufhängung werden verbessert. Doch irgendwann stößt das Heckmotor-Prinzip an seine Grenzen. 1965 endet die Produktion des 700er. Zu diesem Zeitpunkt hat das Modell BMW längst gerettet. Nach rund 190.000 verkauften Fahrzeugen reicht das Geld für die Entwicklung neuer Modelle wie dem 02er und der „Neuen Klasse“. Auch wenn BMW-Fans heute eher auf frühe Dreier oder 02er schielen: An die Bedeutung eines 700 kommen diese Modelle nicht heran. Ohne den BMW 700 hätte es sie wohl nie gegeben.
Technische Daten BMW 700 LS Luxus
Modell | BMW 700 LS Luxus |
---|---|
Motor | 700-ccm-Zweizylinder-Boxer, gebläsegekühlt, |
Getriebe | manuelles synchronisiertes Viergang-Getriebe |
Leistung | 24 kW/32 PS bei 5.000/min |
Drehmoment | 51 Nm bei 3.400 U/min |
Länge | 3.860 mm |
Breite | 1.480 mm |
Höhe | 1.360 mm |
Radstand | 2.280 mm |
Leergewicht | 680 kg |
0-100 km/h | ca. 30 s |
Geschwindigkeit | 120 km/h |
Verbrauch | circa 6,0 l Super/100 km |
Neupreis 1959 | 4.760 Mark |