Der BMW 3er 320d möchte gern sportlich sein
Eine Limousine mit bösem Blick und Sport-Ambition: Der BMW 3er soll der Fahraktivste seiner Klasse sein. Wie gut ihm das als 320d gelingt? Erfährst Du hier.
Eigentlich hatte BMW ja Komfort versprochen. Der neue 3er soll harmonischer federn, leiser fahren und weicher abrollen als sein Vorgänger. Bei unserem Testwagen ist davon wenig angekommen. So viel sei schon gesagt: Er bewegt sich ungefähr so, wie er aussieht. Sportlich, hart und vielleicht etwas zu ambitioniert.
Das liegt nicht am Modell, sondern an seiner Ausstattung. BMW schraubte alle Extras in dieses Auto, die irgendwie mit Sport zu tun haben. Denn trotz aller guten Vorsätze hat der BMW 3er einen Ruf zu verteidigen: Er will Dynamiker in der Mittelklasse bleiben. Mehr Härte als in Audi A4 oder Mercedes C-Klasse ist prinzipiell gewünscht. Der 3er ist für BMW, was für Coca Cola die Coca Cola ist. Beide Marken stellen auch andere Produkte her, aber hier darf nichts schiefgehen. Das würde die Marke weit mehr beschädigen als eine missglückte Fanta Mango oder ein suboptimal abgestimmtes Getriebe im 2er Gran Tourer.
Klar, dass BMW auf die Weiterentwicklung des Vorgängers F30 setzt und sich wilde Experimente weitgehend spart.Wir haben die BMW-Limousine mit kleinem Diesel (320d) und großen Ambitionen zwei Wochen lang im Alltag getestet. Ob der Selbstzünder zum Anspruch passt, wie sich ein Auto mit so vielen Sport-Extras im Alltag schlägt und was der neue 3er besser kann als der alte, liest Du in der Detailwertung.
Karosserie, Platzangebot, Abmessungen
Der 3er wächst. Er wird fast 8 Zentimeter länger als sein Vorgänger, außerdem einen Finger breiter. Super, denn BMW geht generell mit dem Platz im Innenraum eher sparsam um. Leider ändert sich das zum Modellwechsel nicht groß. Trotz vier Zentimeter mehr Radstand gibt es auf der Rückbank kaum mehr Luft. Sie wird breiter, auf dem Mittelplatz sitzt es sich besser, Füße passen bequemer unter die Vordersitze. Das war es schon.
Zugegeben: Die Mittelklasse protzt generell nicht mit Großzügigkeit in Reihe zwei. Im 3er sitzt es sich noch ordentlich, wenn vier Erwachsene mitfahren. Dennoch bietet er an dieser Stelle keinen Vorteil gegenüber vielen Modellen der Kompaktklasse. Im Kofferraum der Limousine ist exakt so viel Platz wie im Heck des Vorgängers (480 Liter). Eine klappbare Rückbank ist in dieser Klasse ein Extra.
BMW konzentriert sich auf die Plätze in der ersten Reihe. Hier stimmt alles: Man sitzt nah am Boden, umschlungen von Armlehnen und Konsolen und sanft gepolstert auf bequemen (und optionalen) Sportsitzen. Die Seitenwangen schmiegen sich nah an den Körper und geben Halt, ohne mit übermäßiger Höhe zu nerven. Große und kleine Menschen finden gute Sitzpositionen mit ausreichend Platz an Schultern, Köpfen und Knien.
Innenraum, Verarbeitung und Materialien des BMW 3er
An das alte Cockpit erinnert im neuen 3er nichts mehr. BMW gestaltet das Armaturenbrett neu und viel moderner. Es bleibt bei wenigen Tasten auf der Mittelkonsole. Der Fokus auf den Fahrer fällt nicht mehr so stark aus wie bisher, es gibt mehr Symmetrie. Schalter, Tasten und andere Bedienelemente sind gut sortiert und lassen sich problemlos erreichen.
Bei zwei wichtigen Details gibt es in der Redaktion gemischte Gefühle. Ein Tester vermisst den alten Automatik-Wählhebel („Schuhlöffel“). Zwei Kollegen halten den Kranz des „M Lederlenkrads“ für zu dick. Geschmackssache – mit großen Händen passt er zumindest gut.
Die Oberflächen im 3er gewinnen deutlich. Im Testwagen verschönert BMW das Armaturenbrett mit unterschäumtem „Sensatec“ (500 Euro) und erreicht damit eine angenehme Haptik. Zusammen mit Alu-Leisten und weichem Leder („Vernasca“, 1.460 Euro) ergibt sich ein hübscher – aufpreispflichtiger – Innenraum, der zum Anspruch des Autos passt. Serienmäßig gibt es Stoff und Kunststoff. Gut: Dank der steifen Karosserie kommen die Verkleidungsteile nicht zum Knarzen oder Scheuern.
Infotainment, Radio, Bedienung
Im Kampf um die beste Bedienlogik packt BMW einfach alle Optionen ins Auto. Auf der Mittelkonsole gibt es weiterhin einen Dreh-Drück-Steller mit intuitiver und durchdachter Bedienung. Wer den Vorgänger hatte, muss sich nicht umgewöhnen. Zusätzlich ist der Infotainment-Monitor berührungsempfindlich. Manchmal ist das die bessere Alternative, vor allem in verschachtelten Menüs.
Passt beides nicht, hilft die optionale Sprachbedienung. Sie vermittelt das Gefühl einer knappen Unterhaltung und antwortet auf Standardbefehle („Navigation!“) mit hübsch gewählten Rückfragen („Wo fahren wir hin?“). Besonders bei der Adresseingabe funktioniert das schneller und besser.
Schlecht: Apple CarPlay ist der einzige Smartphone-Standard im 3er. BMW ermöglicht zwar die drahtlose Nutzung, lässt sie sich aber jährlich bezahlen. Android Auto ist nicht verfügbar. Kurios, denn der schlüssellose Zugang per Handy funktioniert nur mit Android-Betriebssystemen. Die reguläre Einbindung ins Infotainment-System per Bluetooth funktioniert dafür problemlos und deutlich schneller als üblich.
Serienmäßig baut BMW klassische Rundinstrumente in den 3er. Optional gibt es die digitale Version mit gegenläufig anzeigendem Drehzahlmesser. Eine hübsche Spielerei mit zusätzlichen Möglichkeiten – mehr allerdings nicht. Besser gefällt uns das Head-up-Display. Das gibt es in Verbindung mit Navi und Online-Funktionen für 1.350 Euro.
Im umfangreichsten Fall („Live Cockpit Professional“) wächst das Navi-Display von 8,8 auf 10,25 Zoll und bringt Sprachbedienung sowie weitere Online-Dienste und einen Concierge-Service mit. Damit ist der Dreier vollständig vernetzt.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Bei der Assistenz verzichtet BMW auf einige Details. Der größere 5er soll einen Vorsprung auf die Mittelklasse behalten. Autonome Spurwechsel und eine Einparkfunktion per Fernbedienung stehen deshalb nicht in der Preisliste.
Dafür aber alles andere. Der 3er hält Spur und Abstand zum Vordermann. Im Stau bremst er bis zum Stillstand und fährt selbstständig wieder an, wenn er maximal 30 Sekunden lang stand. Mit aktiviertem Tempomat hält er sich automatisch an Tempolimits. Clever: Reguläre Geschwindigkeitsbegrenzungen sind eingespeichert, er übernimmt sie automatisch. Auf Autobahnen rollt er aus und kommt mit dem passenden Tempo am Schild an. So sinkt der Verbrauch.
Das ist eigentlich nichts für ein Fahrerauto. Aber selbst der aktivste Pilot freut sich, wenn er sich auf einer langen Autobahnstrecke nicht selbst um alles kümmern muss. Ein wachsames Auge sollte er trotzdem haben: Die Verkehrszeichenerkennung funktioniert nicht perfekt. Verantwortlich bleibt der Mensch.
Mit mehreren Kameras berechnet der 3er optional ein 3D-Bild von sich selbst und der Umgebung und stellt sich in verschiedenen Perspektiven dar. Das ist hübsch anzusehen, hilft beim Einparken aber nicht wirklich. Parpkiepser genügen, die einfache Rückfahrkamera ist eine willkommene Ergänzung.
Antrieb, Motor, Getriebe und Fahrleistungen im BMW 3er
Die „20d“ auf dem Typenschild des 3ers stand bei ihrer Einführung (im E46) noch für einen kleinen Selbstzünder mit überschaubaren 136 PS. Mit jeder Modernisierung legte er zu, mittlerweile leistet er 190 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment. Ein guter Kompromiss aus Tempo und Verbrauch, zumal BMW ihm Sportlichkeit anerzieht.
Dabei geht es weniger um den Sound, mehr um Kraft und Tempo. Mit der Limousine hat er keine Mühen. Er schiebt sie locker vorwärts und liefert genug Moment für Zwischensprints. Im Drehzahlkeller bleibt ausreichend Kraft, um souverän in hohen Gängen zu Fahren. Ein größerer Motor ist im 3er eigentlich nicht nötig.
Obwohl BMW für den Motor keine Hybridisierung anbietet, fährt der 3er mit dem kleinen Diesel angenehm sparsam. Schnelle Autobahnetappen absolviert er im Test lässig mit 6 bis 7 Litern Durchschnittsverbrauch. Auf der Pendelstrecke spritzte er pro 100 Kilometer 5,5 Liter Diesel ein. Sehr anständige Werte für diese Klasse.
Leider nervt im Testwagen an einigen Stellen die Abstimmung von Motor und Getriebe. Beim Anfahren ist er manchmal zu bestimmt und gibt mehr Gas, als der Fahrer beabsichtigt. Gleiches Spiel beim Bremsen: Die Achtgang-Automatik (Steptronic Sport) schaltet früh herunter und verzögert zusätzlich. Mit konstanter Stellung des Bremspedals wird es nicht gleichmäßig langsamer, sondern in Intervallen.
Mit etwas Fantasie könnte sich das sportlich anfühlen. Im Alltag nervt es. Vor allem dann, wenn man ruhig und sanft unterwegs sein möchte. Gleichmäßiges Fahren wird erschwert, besonders im Stau stört das. Die Konkurrenz bringt hier mehr Komfort mit.
Im Serienmodell 330i steckt schon seit einigen Jahren ein 2,0-Liter-Vierzylinder. Der Leistungszuwachs bleibt zum Modellwechsel überschaubar: 258 PS statt bisher 252 PS holt BMW aus dem Motor. Er klingt kernig nach Vierzylinder, wobei BMW hier nachhilft. Rein mechanisch werde die Tonlage manipuliert, betonen die Entwickler. So oder so: Er klingt gut, der 330i. An den Fahrleistungen des Turbomotors gibt es ebenfalls nichts auszusetzen.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Gleiches gilt für die Federung der Limousine. Das adaptive M-Fahrwerk ist für den Einsatz im Alltag viel zu straff abgestimmt. Der BMW rollt oder kippelt fast nicht und gibt den Zustand der Straße betont direkt in den Innenraum weiter. Die 19-Zoll-Räder mit flachen Reifen tun ihr Übriges. Immerhin: Harte Kanten und Schlaglöcher spürt man nicht so stark, wie es der Charakter des Fahrwerks vermuten lassen würde.
Mit steigendem Tempo passt das Fahrwerk besser zum 3er. Auf der Autobahn sind die Schläge und das Geratter vom Kopfsteinpflaster vergessen. Hier genießt man die Verbundenheit zum Asphalt, die direkte Rückmeldung und die vollständige Verbindung zwischen Fahrbahnbelag und Popometer. Überhaupt wird einiges besser, wenn man den 3er schnell bewegt. Die Bremse wirkt dann nicht mehr nervös, sondern sicher.
Die variable Sportlenkung unseres 320d macht in jedem Fall einen guten Job. Sie ist BMW-typisch direkt und präzise ausgelegt, sie liefert ein gutes Gegengewicht und verhält sich berechenbar. Fahrwerk, Lenkung, Getriebe und Gaspedal lassen sich im Sport-Modus zusätzlich straffen. Ist nicht nötig, der 3er bewegt sich flott genug.
Ausstattung, Preise, Kosten
Der BMW 320d mit Automatik und ohne weitere Extras kostet 42.600 Euro. Damit liegt er genau zwischen seinen direkten Konkurrenten: Ein Audi A4 40 TDI S tronic (ebenfalls 190 PS, Frontantrieb) kostet 100 Euro weniger, ein Mercedes C 220d (194 PS, Hinterradantrieb) kostet 67,45 Euro mehr.
Serienmäßig steckt nicht viel Ausstattung im 3er. Alufelgen, LED-Lampen, ein großes Touch-Display, Tempomat, Regensensor, Klimaautomatik und Online-Services gehören zur Basisausstattung. Nach oben geht dafür umso mehr im prall gefüllten Regal der Sonderausstattungen: Unser Testwagen mit „voller Hütte“ kostet laut Liste 67.180 Euro. Die größten Posten: Elektrische Sitze (1.200 Euro), 19-Zöller (2.000 Euro), Park- und Fahrassistenz (3.000 Euro), Business-Paket (3.600 Euro) und die Ausstattungslinie M Sport (6.100 Euro).
Viele der Extras sind nett, aber nicht unbedingt Pflicht. Der große Kraftstofftank (170 Euro; + 19 Liter Diesel, +8,5 Liter AdBlue) gehört allerdings ins Auto. Sportsitze (550 Euro) und ein Navi (1.350 Euro im Paket) hätten wir auch gern an Bord. Auf den Sport könnten wir verzichten. Der passt zwar zum Auto, trotz kleinem Diesel unter der Haube. Aber er passt in ganz vielen Situationen nicht zum Leben.
Technische Daten: BMW 320d (G20)
- Antrieb: 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel
- Leistung: 190 PS (140 kW) bei 4.000 U/min
- Drehmoment: 400 Nm bei 1.750 – 2.500 U/min
- Getriebe: Achtgang-Wandlerautomatik
- 0 – 100 km/h: 6,8 s
- Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
- Normverbrauch: 4,5 l/100 km
- CO2: 117 g CO2/km
- Testverbrauch: 5,5 l/100 km
- Länge: 4.709 mm
- Breite: 1.827 mm
- Höhe: 1.442 mm
- Radstand: 2.851 mm
- Leergewicht (EU Norm): 1.530 kg
- Kofferraum: 480 l
- Basispreis BMW 3er: 39.950 Euro
- Basispreis BMW 320d: 40.450 Euro
- Testwagenpreis: 67.180 Euro