Auf gute Gesundheit
Die Antriebsakkus der E-Autos und Hybride altern. Die Frage beim Gebrauchtkauf ist daher: Wie steht es um die Kapazität der Batterie? Mit Tests lässt sich diese präzise bestimmen.
„500.000 Kilometer sind überhaupt gar kein Problem für diese Batterie“, sagt Ove Kröger, Elektroauto-Sachverständiger und mobile.de Experte. Er steht dabei nicht etwa in einem Entwicklungslabor und schaut sich die Traktionsbatterie der Zukunft an, nein, er spricht über die Batterietechnik, die bereits heute in unseren E-Autos steckt. Studien der TU Eindhoven in den Niederlanden bestätigen die Erfahrungen, die Kröger bereits gemacht hat.
Das Alterungsverhalten der Batterien ist offenbar ein anderes, als Industrie und Autokäufer seit Jahren erwarten. Vermutlich sind für diese Fehleinschätzung auch unsere Handys mitverantwortlich. Schließlich haben wir mit unseren Mobiltelefonen alle die bittere Erfahrung gemacht, dass ein zwei Jahre alter Akku nur noch halb so lange durchhält wie beim Neukauf des Telefons – Langlebigkeit ist offenbar keine Tugend der momentan gebräuchlichen Akkutechnik. Instinktiv übertragen wir diese negativen Erfahrungen mit den kleinen Telefon-Stromspeichern auf die Auto-Akkus, geben ihnen eine Lebensdauer von maximal fünf bis sechs Jahren – und liegen damit falsch.
Hersteller wie BMW, Renault, Tesla oder VW gehörten mit ihren E-Modellen im Jahr 2013 zu den Pionieren auf dem deutschen Markt. Heute blicken sie auf viel Erfahrung mit der Elektromobilität und damit auch mit alternden E-Auto-Flotten zurück. Und bei denen bedeuten selbst große Laufleistungen von mehr als 200.000 Kilometern nicht das Ende für die Traktionsbatterie. Eine Fahrt des Autors in einem stark abgenutzten Tesla-Model-S-Taxi bestätigte diese These. Der Kilometerzähler hatte die 280.000 Kilometer längst hinter sich gelassen, aber der Fahrer erzählte, dass er immer noch gut 80 Prozent der originalen Reichweite hätte. Offenbar war der Stromspeicher in einem wesentlich besseren Zustand als Fahrwerk und Interieur, denn beides hatte den Oberklasse-Anspruch der großen Limousine schon lange hinter sich gelassen.
Über die Gesundheit der Batterie gibt der State of Health Auskunft
Um die Alterung einer Batterie beschreiben zu können, haben die Fachleute den Begriff des State of Health (SoH) erfunden. Er lässt sich mit Gesundheitszustand übersetzen und beschreibt in Prozent, wie viel von der ehemaligen Batterieleistung nach langer Nutzung geblieben ist. Ein SoH von 80 Prozent bedeutet, dass eine Batterie im Vergleich zu ihrer Ursprungskapazität von beispielsweise 84 kWh, wie in Ove Krögers Porsche Taycan, nur noch über einen Energiegehalt von 67 kWh verfügen würde.
Markenübergreifend lassen sich die Werte nicht unbedingt vergleichen. Einige Hersteller geben für die Ursprungskapazität den Bruttowert an, andere jedoch den Nettowert der Batterie. Dabei beschreibt der Bruttowert die maximale technische Speicherkapazität, der Nettowert dagegen die nutzbaren Kilowattstunden, die sich in Vortrieb umwandeln lassen.
Experten der Industrie bestätigen die anekdotische Tesla-Taxi-Beobachtung. BMW testete verschiedene neun und zehn Jahre alte i3 und konnte SoH-Werte um 80 Prozent ermitteln. Renault hat allein in Deutschland viele Tausend Zoe auf der Straße und berichtet, dass selbst bei Laufleistungen über 150.000 Kilometern ein SoH zwischen 75 und 80 Prozent üblich ist. Offenbar ist die Akku-Alterung doch kein so großes Problem. Nur herumgesprochen hat sich das scheinbar noch nicht.
Batterietests bringen Klarheit
Dass der Akku in die Jahre kommt, wenn auch langsamer als befürchtet, ist logisch. Schließlich altert jede Technik, auch die modernste. Als Käufer eines gebrauchten E-Autos wüsste man natürlich gern so genau wie möglich, wie fit die teure Batterie im Auto noch ist. Glücklicherweise lässt sich das sehr präzise herausfinden: mit einem Akku-Check. „Der von den Batterie-Managementsystemen der Fahrzeuge angezeigte ‚State of Health‘ bietet keine verlässliche Aussage über den tatsächlichen Zustand der Fahrzeugbatterie“, sagt Dr. Matthias Schubert, als Executive Vice President Mobility verantwortlich für das weltweite Mobilitätsgeschäft von TÜV Rheinland. „Die Praxis zeigt, dass die angezeigten und die tatsächlich gemessenen Werte häufig stark voneinander abweichen. Nur ein präzise bewerteter Batteriezustand ermöglicht auch einen präzise bewerteten Restwert.“
mobile.de ist die erste Plattform, bei der Händler einen gezielten Filter "Mit Batterie-Zertifikat", neben Fahrzeugalter oder Laufleistung, setzen können. Damit möchte mobile.de das Vertrauen in gebrauchte E-Autos stärken und die Standzeiten reduzieren. Mit dem entsprechenden Suchfilter werden bei der Desktop- und der mobilen Ansicht der mobile.de Website die Fahrzeuge angezeigt, die mit Batterie-Zertifikat angeboten werden. Eine Integration in die mobile.de App ist geplant. Das Projekt startet mit Modellen von Hyundai.
Als Partner für die Zertifizierung kommen verschiedene Anbieter infrage. Angeboten werden die Batterie-Checks bereits von mehreren Firmen.
Akku-Checks zum Selbermachen oder in der Werkstatt
Auch wenn für den präzisen Check der Antriebsbatterie spezielle Geräte nötig sind, muss man dafür nicht unbedingt in eine Werkstatt. Das österreichische Unternehmen Aviloo bietet beispielsweise einen Test an, bei dem man selbst den SoH eines E-Autos oder Plug-in-Hybrids in Erfahrung bringen kann. Dafür bestellt man bei Aviloo ein Diagnosegerät, das über die OBD (On-Board-Diagnoseschnittstelle) mit der Autoelektronik verbunden werden muss. Zusätzlich muss man die Aviloo-App herunterladen. Teuer ist der Test nicht, er kostet 99 Euro. Auch der zeitliche Aufwand hält sich in Grenzen, es muss lediglich ein vollgeladener Akku auf eine Restreichweite von zehn Prozent heruntergefahren werden. Dafür hat man, nachdem man das Aviloo-Gerät zugeschickt bekommen hat, sieben Tage Zeit. Das Batterie-Zertifikat bekommt man anschließend per E-Mail zugeschickt. Wem das zu kompliziert klingt, der kann sich auch an den ADAC wenden, der diesen Test an verschiedenen Clubstationen anbietet.
So kannst Du die Reichweite Deines E-Autos checken
Was ist zu tun, wenn das gebrauchte Objekt der Begierde kein Batterie-Zertifikat besitzt und man auch zu keiner Prüfstation fahren kann, die einen Test anbietet? Man kann einer gebrauchten E-Auto-Batterie auch weniger technisch auf den Zahn fühlen. Das Ergebnis wird zwar nicht so präzise ausfallen wie mit Hilfe der Diagnosegeräte, auf die Aviloo und die Prüforganisationen setzen, aber es gibt einen brauchbaren Einblick in die Leistungsfähigkeit der Batterie.
Die verbliebene Reichweite, die direkt mit dem SoH zusammenhängt, lässt sich bei einer ausgiebigen Probefahrt abschätzen. Beim Start sollte das Auto vollgeladen und der Bordcomputer genullt sein. Wer dann mit seinem Fahrprofil nach 70 Kilometern schon die halbe Ladung verbraucht hat, weiß: Bei voller Batterie dürften nur etwa 140 Kilometer möglich sein – selbst wenn der Computer noch 200 Kilometer als Restreichweite anzeigt.
Der TÜV Rheinland hat ebenfalls einen Batterie-Check im Programm, der zusammen mit dem Technikpartner Twaice entwickelt worden ist. Gemeinsam haben die beiden Unternehmen die Battery Quick Check GmbH gegründet, die die Tests durchführt. Martin Dillinger, Experte für alternative Antriebe bei TÜV Rheinland: „Die Dauer eines kompletten Battery Quick Checks ist von der Größe der Batterie und der zur Verfügung stehenden Ladeleistung abhängig und ist während eines kurzen Werkstattbesuchs durchführbar. Eine Fahrt, bei der der Akku entladen wird, ist nicht nötig. Für den Battery Quick Check ist ein kurzer Ladehub ausreichend.“ Dieses Angebot wendet sich an Geschäftskunden und ist bislang nicht für Privatleute vorgesehen.
Die Prüforganisation Dekra bietet einen weiteren Batterietest an. Für ihn muss man etwa 15 Minuten Zeit in einer Prüfstelle einplanen. Ein Teil des Tests läuft statisch ab. Eine Beschleunigung des Autos, das etwa 100 Meter weit fahren muss, gehört dazu. Unmittelbar nach dem Testende bekommt der Kunde die Informationen zum SoH seiner Batterie.
Eine Batterie mit einem SoH von weniger als 70 Prozent stellt übrigens nicht automatisch einen Totalschaden am gebrauchten E-Auto dar. Anders als beim klassischen Verbrennungsmotor, bei dem ein Pleuel abreißen oder eine Nockenwelle brechen kann, was zu Kernschrott unter der Motorhaube des betroffenen Autos führt, verändert sich der SoH eines Akkus sehr langsam und über viele Jahre. Es bleibt also Zeit zum Reagieren.
Nur wann ist eine Reaktion angemessen und was kostet sie? Die Kosten für eine Akku-Reparatur oder einen Tausch sind wirklich happig. Renault berechnet für den Austausch eines Batteriemoduls (nicht der gesamten Batterie) 2.500 Euro inklusive Arbeitszeit. Bei BMW werden 1.550 Euro fällig, allerdings plus Arbeitszeit. Zwar wird der Traktionsakku durch den Tausch einzelner Module nicht zum Neuteil, aber er taugt anschließend noch für Jahre als Stromspeicher im Auto.
Zweites Leben für alte Traktionsbatterien
Sinkt der SoH eines Akkus unter 70 Prozent, macht ein Betrieb im Auto nur nach einem Modultausch Sinn. Ist der Tausch zu teuer, gibt es zwei Möglichkeiten: Recycling der enthaltenen Materialien oder die stationäre Weiterverwendung des Batteriepacks als Notstromreserve. Fachleute sprechen in diesem Fall vom Second Life.
Dazu gibt es mittlerweile eine Reihe von Pilotprojekten. BMW, Mercedes-Benz und Nissan gehören zu den ersten Autoherstellern, die sich engagieren, teilweise gemeinsam mit Energieversorgern. Audi will ausgediente e-tron-Akkus nutzen, um Ladeparks für E-Autos mit Stromspeichern auszustatten. Kia und die Deutsche Bahn arbeiten gemeinsam an einer Second-Life-Lösung, die der von Audi ähnelt und ebenfalls das Stromnetz entlasten soll.
Mit Blick auf die Nachhaltigkeit sollten die Akkus so lange wie möglich genutzt werden. Erst wenn die Kapazität der Batterien auch für die stationäre Anwendung zu gering ist, ergibt das Recycling Sinn.
Und so abgehoben sind die Kosten nicht, wenn man sie mit denen vergleicht, die fällig werden, wenn ein Renault Clio oder ein BMW 1er einen Austauschmotor benötigen. Das Niveau ist in etwa das gleiche, auch im Hochpreissegment. In Deutschland, das gibt Porsche für den Taycan an, liegen die Kosten einer Akku-Reparatur bei rund 6.000 Euro. Der Batterietausch ist aufgrund der gewährten Garantie in den ersten acht Jahren des Fahrzeug-Lebenszyklus für Kunden kostenfrei. Danach liegen sie in der Größenordnung eines Motortauschs bei Verbrennerfahrzeugen.
Die Prüforganisation KÜS beobachtet, dass die Zahl der Betriebe, die sich auf Akku-Reparaturen spezialisiert haben, bereits wächst. Wir dürfen gespannt sein, ob sie viel zu tun bekommen. Wenn Ove Krögers 500.000 Kilometer das Maß der Dinge für einen Auto-Akku sind, dann wohl eher nicht so bald.
Tipps für den E-Auto-Kauf
Motor oder Hochvolt-Elektrik, diese wichtigen Komponenten der E-Autos sind nach Beobachtung der Prüforganisationen praktisch nie ein Grund für Probleme. Hierauf solltest Du beim BEV achten:
- Fahrwerksbuchsen und -lager können schnell verschleißen
- Reifen fahren sich schneller ab
- Rost an Bremsen ist ein Thema: Handbremse und Bremszangen checken
- Ist das Zubehör (Ladekabel) dabei und unbeschädigt?
- Garantieregeln: bei neueren BEV deutlich länger