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Rote Notruf-Taste in einem Peugeot
Quelle: Picture Alliance
Seit dem 1. April 2018 gehört die eCall-Taste in Europa bei neuen Pkw-Typen zur Pflichtausstattung

Laut einer Untersuchung der Verbraucherzentralen kennen 40 Prozent der deutschen Autofahrer den automatischen Notruf eCall noch nicht. Das erstaunt, denn seit dem 1. April 2018 gehört die Technologie in vielen Autos zur Pflichtausstattung. Bei einem schweren Unfall sendet das Auto selbstständig einen Datensatz an die Leitstelle der Feuerwehr, die dann zügig ausrücken und Rettungsmaßnahmen einleiten kann. Aber wann genau ruft Dein Auto die Feuerwehr? In welchen Autos ist der automatische Notruf Pflicht und: Gibt es Risiken? Die meistgestellten Fragen rund um eCall beantwortet Dir unser Artikel.

Wann trat die eCall-Pflicht in Kraft?

Die Idee ist einfach: Wenn das Auto bei einem Unfall selbstständig einen Notruf absetzt, weil die Fahrzeuginsassen dazu nicht in der Lage sind, rettet dies Leben. Entsprechende Notrufsysteme bieten viele Autohersteller bereits seit vielen Jahren an, etwa BMW, Mercedes, Opel oder Peugeot.

Zur Pflicht wurde die Technologie jedoch erst zum 1. April 2018. Für die Regelung stimmte das EU-Parlament im Jahr 2015 – und definierte im Zuge dessen auch die technischen Anforderungen an den Notruf. Vor allem um die Datenschutzvorschriften wurde gerungen. Bis Oktober 2017 mussten die Leitstellen der Feuerwehren in der Lage sein, die Daten der Autos zu empfangen und zu verarbeiten. Seit dem 1. April 2018 gehört eCall zur Pflichtausstattung in neuen Pkw-Typen.

Für welche Autos ist eCall Pflicht?

Das eCall-System gehört seit dem Stichtag zur Pflichtausstattung neuer Pkw-Typen. Das bedeutet: Alle Automodelle, für die ab diesem Datum eine neue Typzulassung (Homologation, allgemeine Betriebserlaubnis) in der Europäischen Union beantragt wird, benötigen den automatischen Notruf. Anders als vielfach zu lesen, gilt die Pflicht also nicht für alle Neuwagen. Automodelle, deren Homologation vor dem Stichtag erteilt wurde, benötigen kein eCall-System und dürfen auch nach dem Stichtag weiter ohne Notrufsystem verkauft werden. Gebrauchtwagen benötigen eCall ebenfalls nicht.

SOS-Taste über einem Rückspiegel
Quelle: Picture Alliance
Wird der eCall ausgelöst, werden unter anderem Standort, Unfallzeitpunkt und Fahrtrichtung an die Einsatzkräfte gesendet

In der Regel wird die Technologie beim nächsten Modellwechsel zur Pflichtausstattung, da der Autohersteller für die neue Modellgeneration meist eine neue Typzulassung beantragt. Basiert die neue Modellgeneration technisch auf dem Vorgänger, muss das jedoch nicht der Fall sein. Gilt die alte Betriebserlaubnis weiter, wird kein eCall erforderlich.

Maßgeblich ist also das Datum der Typprüfung bzw. der Erteilung der allgemeinen Betriebserlaubnis. Liegt dieses Datum vor dem 1.4.2018, kann ein eventuell vorhandenes Notrufsystem legal deaktiviert oder entfernt werden. Denn viele Hersteller bauen wie gesagt seit Jahren eigene Notrufsysteme in ihre Autos ein, einige haben auch das offizielle eCall-System schon vor dem Stichtag in ihre Modelle integriert.

Wie funktioniert eCall?

eCall soll bei einem schweren Unfall automatisch einen standardisierten Datensatz an die Notrufnummer 112 senden, auch wenn der Fahrer dazu nicht in der Lage ist. Daneben kann der Notruf auch über einen Knopf im Auto manuell ausgelöst werden. Das Fahrzeug benötigt dafür ein Galileo- und GSM-Positionsmodul, ein zusätzliches Steuergerät und eine eigene Sim-Karte für die Datenanbindung. Hinzu kommen eine Freisprechanlage und eine Verknüpfung mit Fahrzeugsensoren. Einen schweren Unfall erkennt das System zum Beispiel am Auslösen der Airbags oder über spezielle Sensoren.

Diese Daten werden mindestens übermittelt:

  • Genauer Standort
  • Unfallzeitpunkt
  • Fahrtrichtung
  • Fahrzeug-Identifikationsnummer
  • Service-Provider-ID

Weitere Daten können zusätzlich übertragen werden, wenn der Autohersteller das vorsieht und der Kunde dem zustimmt: etwa, wie viele Sicherheitsgurte angelegt waren, die zuletzt gefahrene Geschwindigkeit oder ein Überschlag. Nutzt der Autofahrer den Notruf manuell, kann er zusätzlich mit der Leitstelle sprechen und genauere Angaben machen.

Datenschutz: Überwachung von Autofahrern?

Die Datenschutz-Anforderungen an eCall sind streng. Deshalb aktiviert es die Übermittlung von Daten erst bei einem Notfall, Juristen sprechen von einem “schlafenden System”. Allerdings gelten die strengen Einschränkungen nur für den gesetzlich vorgeschriebenen Notruf. Viele Autohersteller, Versicherungen und Online-Dienste nutzen die notwendige technische Infrastruktur wie die Sim-Karte und Datenverbindung für eigene Systeme. Das kann ein privates Notrufsystem sein, aber auch zusätzliche Online-Features wie App-Updates, Live-Verkehrsdaten oder Musik-Streaming.

Bei der Nutzung solcher Dienste werden ebenfalls Daten übertragen. Dafür gelten die Geschäftsbedingungen des Dienstanbieters. Nach Einwilligung des Nutzers werden dann Daten auch ohne Notfall übermittelt. Verbraucherschützer kritisieren, dass diese Einwilligung oft eingeholt wird, ohne den Kunden wirksam aufzuklären, welche Daten übertragen werden.

So wissen viele Autofahrer gar nicht, worin sie einwilligen, wenn sie komfortable Online-Dienste nutzen. Was die Systeme genau dürfen, ist dabei nicht trivial: General Motors etwa wollte vor einigen Jahren in den USA generell alle GPS- und Fahrzeugdaten speichern und an die Versicherungswirtschaft verkaufen. Davon musste der ehemalige Opel-Eigner Abstand nehmen. Hierzulande führte Opel eine “Private”-Taste für den Dienst OnStar ein. Sie deaktiviert die Ortung und alle Übertragungen – mit Ausnahme des schlafenden Notrufs.

eCall selbst erlaubt also keine Überwachung der Bürger. Allerdings bringt die eCall-Pflicht eine technische Plattform verpflichtend ins Auto, die in der Lage ist, Bewegungs- und Messdaten des Autos beispielsweise mit Telefondaten zu verknüpfen – einschließlich Gesprächsaufzeichnungen. Über zusätzliche Dienste können Unternehmen an diese Daten gelangen. Das Datenschutzrisiko entspricht also ungefähr dem von Smartphones und Diensten wie Alexa.

eCall als Unfallzeuge nutzen

Der automatische Notruf kann nicht nur von Unfallbeteiligten genutzt werden. Wenn Du einen Unfall beobachtest, kannst Du auch als Zeuge über den Notruf die Rettungsstelle benachrichtigen. Dafür drückst Du die Taste für den manuellen Notruf. Dann solltest Du natürlich der Leitstelle weitere Informationen zum Unfall geben. Dabei hältst Du dich am besten an folgendes bewährtes Schema. Zusätzlich musst Du als Unfallzeuge nach Möglichkeit die Polizei rufen und Erste Hilfe leisten.

Die fünf zentralen Ws des Notrufs lauten:

  • Wo ist der Notfall?
  • Wer meldet den Notfall?
  • Was ist passiert?
  • Wie viele Betroffene?
  • Warte auf Rückfragen

Kann man eCall nachrüsten?

eCall-ähnliche Systeme lassen sich nachrüsten, falls im Auto kein Notrufsystem vorhanden ist. Dafür gibt es spezielle Stecker, die in die 12-Volt-Steckdose (“Zigaretten-Anzünder”) passen. Diese Geräte musst Du per Bluetooth mit einem Smartphone verbinden, auf dem eine Notruf-App installiert ist. Solche Apps bieten zum Beispiel Versicherungen an. Die in Deutschland bekannteste Notruf-App ist der Unfall-Meldedienst (UMD) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Person drückt auf einen SOS-Knopf
Quelle: Picture Alliance
Bei älteren Fahrzeugen kann der SOS-Knopf nachgerüstet werden. Eine Pflicht dazu besteht jedoch nicht

Ein bekannter Stick ist das Vivatar-System von Bosch. Es ist jedoch recht teuer, da zusätzliche Abo-Gebühren anfallen. Unfälle erfasst der Stick über eingebaute Beschleunigungssensoren, eine Kopplung mit Fahrzeugsensoren besteht nicht. Der Notruf wird über das Handy ausgelöst. Integrierte Systeme sind deutlich teurer, abhängig davon, welche Technik bereits im Fahrzeug vorhanden ist.

Kann man eCall deaktivieren?

Technisch gesehen ist es möglich, den Notruf eCall zu deaktivieren. Die Sim-Karte selbst ist jedoch schwer auszubauen. Autohersteller tauschen in festgelegten Wartungsintervallen das ganze Notrufmodul, um eine fehlerfreie Funktion zu gewährleisten. Im VW-Konzern etwa beträgt das Wechselintervall 14 Jahre. Statistisch gesehen hält es also ein Autoleben lang.

Legal ist die Deaktivierung des Notrufsystems jedoch nur in Fahrzeugen, die ihre Typzulassung vor dem 1.4.2018 erhalten haben. Bei Fahrzeugen, die nach dem Stichtag homologiert wurden, erlischt in dem Fall die Betriebserlaubnis, da es sich bei eCall um eine Pflichtausstattung handelt – vergleichbar dem Katalysator, Airbags oder der Fahrzeugbeleuchtung. Dann darf das Fahrzeug nicht mehr im Straßenverkehr bewegt werden. Fällt bei der Hauptuntersuchung auf, dass der Notruf nicht funktioniert, gibt es keine Plakette.

In Fahrzeugen, die vor dem Stichtag homologiert wurden, darf der automatische Notruf deaktiviert werden. BMW-Kunden etwa müssen schriftlich um die Deaktivierung einer eingebauten Sim-Karte bitten. Dann ist das Fahrzeug offline. Wichtig dabei zu wissen: Der Schritt kann nicht rückgängig gemacht werden. Laut BMW auch dann nicht, wenn das Auto verkauft wird.

Da der Notruf Leben rettet, raten wir von einer Deaktivierung ab – auch, wenn sie im konkreten Fall erlaubt ist. Die Verordnung der EU zu eCall findest Du hier.

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