Der Audi RS6 Avant (2019) im Test
Schöner, schneller, breiter: Der neue Audi RS6 entfernt sich vom A6-Basismodell. Was er kann und wie sich 600 PS in einem Kombi anfühlen, steht im Test.
- Der Audi RS6 Avant Quattro in Kürze
- Audi RS6 Avant: Kofferraumvolumen, Platzangebot, Abmessungen | Kofferraumvolumen, Platzangebot, Abmessungen
- Innenraum, Verarbeitung, Materialien im Audi RS6 | Innenraum, Verarbeitung, Materialien
- Audi RS6 Avant: Infotainment, Radio, Bedienung mit Touch und Ton | Infotainment, Radio, Bedienung
- Assistenzsysteme und Sicherheit im Audi RS6 2019 | Assistenzsysteme und Sicherheit
- Audi RS6 C8 (2019): Antrieb, Motor, Getriebe, Fahrleistungen | Antrieb, Motor, Getriebe, Fahrleistungen
- Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten des Audi RS6 Avant 2019 | Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
- Ausstattung, Preise, Kosten, Fazit zum Audi RS6 Avant | Ausstattung, Preise, Kosten und Fazit
- Audi RS6 Avant Quattro: Technische Daten
Was für ein Auftritt. Der neue Audi RS6 rollt in unauffälligem Florettsilber zum Test. Trotz der Langweiler-Farbe wirkt er kein bisschen dezent. Die breiten Backen, die riesigen Räder und das eigenständige Gesicht, dazu viel Carbon – all das sorgt dafür, dass seine Basis, der Audi A6, gefühlt in weite Ferne rückt. Einer, der beruflich viel mit Autos zu tun hat, fragt uns beim Tankstopp sogar: „Ist das der RS7?“
Wenn man den RS6 Avant nur von vorn sieht, könnte man das vermuten. Er trägt Lampen und Schürze der Schwesterbaureihe. Vom A6 bleiben nur vordere Türen, Dachhaut und Heckklappe. So viel Eigenständigkeit gab es beim RS6 noch nie. Und das ist gut so. Denn 117.500 Euro Basispreis darf man ruhig auf den ersten Blick erkennen.
Eindruck macht er schon im Stand, noch mehr in Bewegung. Weil er sprintet und zirkelt, als wären Größe und Gewicht nicht existent. Weil er sich so sanft bewegen kann, wie man es eher von einem A6 erwartet. Wir waren zwei Wochen lang mit dem Audi RS6 im Alltag unterwegs. Was wir erlebt haben, liest Du in der Detailwertung.
Der Audi RS6 Avant Quattro in Kürze
- Audi RS6: Schnellstes und stärkstes Modell der A6-Baureihe
- Radhäuser um acht Zentimeter verbreitert
- V8-Biturbo mit 600 PS und 800 Newtonmetern
- Agiles, kompaktes und sportliches Fahrverhalten
- Basispreis Audi RS6 Avant: 117.500 Euro
Audi RS6 Avant: Kofferraumvolumen, Platzangebot, Abmessungen | Kofferraumvolumen, Platzangebot, Abmessungen
Breitbau gehört traditionell zum RS6. Aktuell plustert Audi die Radläufe um vier Zentimeter pro Seite auf. Bullige Schürzen addieren auf das reguläre A6-Maß weitere Zentimeter hinzu. Der RS6 ist daher länger und breiter als der A6. Mehr Platz gibt es aber nur für Räder (bis 22 Zoll) und Auspuffblenden (ein Drittel größer als bisher), nicht im Innenraum.
So sehr sich der RS6 außen abhebt, hält er sich innen zurück. Natürlich baut Audi Sportsitze ein, klebt ein RS-Logo aufs Lenkrad, programmiert flotte Anzeigen in die Displays und stattet das Auto insgesamt besser aus. Aber nur Kleinigkeiten unterscheiden ihn vom A6. Das gilt auch für den Platz: Vorn und hinten gibt es viel davon. Der Kofferraum leidet unter der Dachlinie, lädt aber ordentlich ein. Nicht so viel wie ein (kürzerer) VW Passat. Aber darum geht es ja nur am Rande.
Wer mehr Praxisnutzen benötigt, kann den RS6 mit einer Anhängerkupplung ausrüsten. Die gibt es in Verbindung mit beiden verfügbaren Fahrwerken – beim Vorgänger ließ sich das DRC-Fahrwerk nicht mit dem Agrarhaken koppeln. Trotz der enormen Antriebsleistung begrenzt Audi die Anhängelast auf 2,1 Tonnen. Das bedeutet, dass der RS6 weniger als sein eigenes Gewicht ziehen darf. Das schafft ein Audi S6 auch, mit “nur” 349 PS.
Angetrieben wird der RS6 von einem 4,0-Liter-V8-Benziner mit 600 PS.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien im Audi RS6 | Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Das Cockpit im RS6 erinnert etwas zu sehr ans Basismodell. Besonders im regulären Fahrmodus sieht der scharfe Audi wenig nach sportlicher Spitze aus. Seit ein Display die klassischen Rundinstrumente abgelöst hat, fallen schicke Tachoscheiben aus. Audi spart sich die Mühe, am Tacho mehr als die Skalierung zu ändern. Die auswählbaren Sport-Anzeigen kennt man ebenfalls von kleineren Modellen.
Generell verzichtet Audi im RS6 auf einiges, was in einen RS gehört. Zum Beispiel die geschlitzten Türöffner. Immerhin stickt Audi Wabenmuster sowie ein RS-Logo in die Sitze und spannt Lochleder aufs Lenkrad. Wer viel Geld in den Innenraum steckt, bekommt tolle Farbkombinationen und feinste Materialien. Wir vermissen die traditionellen Elemente trotzdem.
Letztlich ist das RS6-Cockpit ein schönerer A6-Innenraum mit Vor- und Nachteilen: Es wirkt schick, modern und digital, aber nicht so solide wie jene der Vorgänger. Das spürt jeder, der an der falschen Stelle drückt. Wir jammern an dieser Stelle auf hohem Niveau: Nichts klappert oder rappelt, alles sitzt fest und fühlt sich hochwertig an.
Audi RS6 Avant: Infotainment, Radio, Bedienung mit Touch und Ton | Infotainment, Radio, Bedienung
Stichwort fühlen: Der RS6 möchte berührt werden. Analog zu Audi A6 und Audi S6 fehlt ein Dreh-Drücksteller. Touch-Monitore steuern die meisten Eingaben – einer für alle Klima-Funktionen, der andere für Infotainment, Navi, Telefon und das Auto selbst. Das sieht sauber aus, ist aber gewöhnungsbedürftig. Spätestens dann, wenn fettige Fingertapsen die schöne Optik ruinieren. Audi legt dem Testwagen sicherheitshalber ein Microfasertuch bei.
Alternativ versteht der Audi Sprachbefehle, und das, zum Beispiel beim Navigieren, ausgezeichnet. Zwei konfigurierbare Fahrmodi lassen sich über eine spezielle Taste am Lenkrad auswählen. Man kann viel einstellen und bedienen, ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Das ist wichtig und gut in einem Auto, das schneller fährt, als man denken kann.
Assistenzsysteme und Sicherheit im Audi RS6 2019 | Assistenzsysteme und Sicherheit
Am meisten Spaß macht der RS6, wenn man ihn bewusst bewegt. Auf langen Strecken schätzt man dennoch schnell die digitalen Helfer. Sie halten selbstständig Geschwindigkeit, Abstand und Spur. Sie melden, wenn der Fahrer müde aussieht, und warnen in Gefahrensituationen. Nur die Spur kann er nicht selbstständig wechseln. Hier ist ihm die Konkurrenz voraus.
Leider reagiert im Test des RS6 der eine oder andere Assistent zu vorsichtig. Beim Parken warnt er zu früh vor Hindernissen. Eine flott genommene Verkehrsinsel quittiert er mit einer ruckartigen Verzögerung, ein Grund dafür ist nicht in Sicht. Das trübt den Gesamteindruck der klugen Assistenz.
Im neuen Audi S6 arbeitet ein 3,0-Liter-V6-Turbo-Diesel und einem elektrischen Verdichter. 349 PS leistet das Aggregat.
Klug ist sie wirklich: Anhand der Umgebung entscheidet die Elektronik, ob der RS6 beim Rollen ohne Last mit der Motorbremse verzögert oder sich abschaltet. Dabei berücksichtigt er (anstehende) Tempolimits, den Abstand zum Vordermann, Fahrmodus, Fahrstil, Steigungen und Gefälle. Oft liegt er mit seiner Entscheidung richtig und spart wertvollen Kraftstoff.
Ebenfalls toll: In die RS6-Lampen baut Audi optional Laserlicht. Das leuchtet im Test des Audi RS6 selbst die dunkelsten Landstraßen weit und hell aus. Leider blickt die Fernlichtautomatik nicht ganz so weit, wie das Licht scheint. Auf langen Geraden blendet der Audi den Gegenverkehr.
Audi RS6 C8 (2019): Antrieb, Motor, Getriebe, Fahrleistungen | Antrieb, Motor, Getriebe, Fahrleistungen
Die große Stärke des Audi RS6 ist sein dickes Plus. Während Audis S-Modelle zum Teil Diesel tanken müssen und dafür Kraft abtreten, spritzt er Super Plus in die Zylinder. Acht davon stecken unter der Haube, angeordnet in V-Form, mit zwei Turboladern in der Mitte. Das klingt nach einer Übernahme der Vorgänger-Technik. Es handelt sich dennoch um einen neuen Motor.
Lärmschutz verbietet ihm, so laut zu röhren wie frühere Modelle. Audi steckt deshalb viel Aufwand in den Klang und erfindet den RS6-Sound neu. Es bollert heiser und rotzig aus den Endrohren, dazu pfeifen und zischen die Turbos präsenter als bisher. All das gilt für den Bereich um das Auto herum. Im Innenraum kommt nur wenig Sound an, dafür ist die Kombi-Karosserie zu gut gedämmt.
Was man sehr wohl merkt, ist die Kraft. In den scharfen Fahrmodi reißen und zerren 600 PS und 800 Newtonmeter energisch an den Achsen. Sie scheuchen den Kombi dramatisch schnell auf Tempo, das Getriebe prügelt ruckvoll den zweiten Gang in den Antrieb. Bei voller Last bewegen sich vier angetriebene 285er-Reifen an der Traktionsgrenze. Den angegebenen Sprintwert (3,6 Sekunden) unterbietet der RS6 laut eigener Anzeige sogar mit zwei Insassen an einer Steigung. Im Test misst der Bordcomputer Werte zwischen 3,3 und 3,5 Sekunden.
Fordert man den Motor nicht, bewegt sich der RS6 geschmeidig wie ein Audi A6. Er bleibt im Drehzahlkeller, schaltet sanft und fällt kaum auf – abgesehen von der Klangkulisse. In diesem Modus rollt er häufig mit abgeschaltetem Verbrenner und erreicht beim Pendeln Verbrauchswerte unterhalb der Werksangabe. Nach ruhiger Fahrt errechnet er einen Schnitt von 10,5 Litern pro 100 Kilometer.
Der neue V8 im Audi RS6 kann also besser sparen als sein Vorgänger. Unter Last schafft er das nicht: Langstrecken kosten 12 Liter (zügig, vorausschauend) bis 15 Liter (zackig bis schnell). Wer Klang und Kraft genießt, treibt den RS6 problemlos auf 18 oder 20 Liter pro 100 Kilometer. Zeitgemäß ist das nicht. Aber unter uns: Es ist schön.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten des Audi RS6 Avant 2019 | Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Für eine gute Dynamik braucht es mehr als einen feinen Motor. Das gilt besonders für den RS6. Sein schwerer Motor sitzt weit vorn im Auto, das selbst mindestens 2.150 Kilogramm wiegt. Davon spürt man wenig, denn der Audi stemmt sich mit einem klugen Fahrwerk, Allradlenkung und einem Sportdifferenzial an der Hinterachse gegen die Massenträgheit.
Das optionale DRC-Fahrwerk verbindet seine Stoßdämpfer diagonal miteinander. In der Mitte sitzt ein Ventil, das den Ölfluss steuert. Es unterbindet Wank- und Nickbewegungen, die Aufbau und Gewicht zwangsläufig verursachen würden. Besonders in schnellen Kehren spürt man, wie wenig sich der RS6 zur Seite neigt. Das klappt noch besser als beim S6, der ebenfalls sehr auf gute Haltung achtet.
Für ein sportliches und kontrolliertes Gefühl muss es gar nicht der zackige Modus sein. Der kneift die Dämpfer spürbar zu und bringt unnötiges Gehoppel ins Auto. Schon im automatischen Fahrprogramm neigt sich der RS6 kaum, federt aber noch anständig. Natürlich straffer als die Basis, das gehört zum sportlichen Anspruch. Aber nicht unangenehm.
Rollt der RS6 langsam, lenken die Hinterräder entgegengesetzt zu den vorderen. So verkürzt sich der Wendekreis um rund einen Meter. Bei hohem Tempo lenken die Räder parallel und verlängern gefühlt den Radstand. Das macht den Kombi agil in engen Kehren und stabil bei hohem Tempo. In beiden Fällen merkt man ihm Größe und Gewicht kaum an. Erst wenn sein Heck nach vehementer Provokation instabil wird, ändert sich das.
Ist das Hochgeschwindigkeitspaket installiert, stoppt der RS6 mit riesigen Keramikscheiben. Die Bremse verfügt über einen angenehmen Druckpunkt und lässt sich präzise dosieren. Ob ihr Audi die Gedenksekunde bei Nässe abgewöhnt hat, können wir allerdings nicht sagen – im gesamten Testzeitraum regnet es nicht.
• Motor: 2,9-Liter-Biturbo-V6
• Leistung: 450 PS
• 0-100 km/h: 3,9 s | Vmax: 250 km/h
Ausstattung, Preise, Kosten, Fazit zum Audi RS6 Avant | Ausstattung, Preise, Kosten und Fazit
Zunächst: Der Audi RS6 ist ein richtig gutes Auto. Stark, schnell, klanglich genial, fahrerisch präzise und dabei sogar komfortabel. Er macht viel Spaß und schafft es dabei, modern zu wirken – trotz des (fantastischen) Dinosaurier-Antriebs unter der Haube. Die Kopflastigkeit früher Modelle hat er abgelegt, Generation C8 fährt so sauber, wie ein Skalpell schneidet. Trotz Mehrgewicht zum Modellwechsel.
Nach zwei Wochen Alltagstest bleibt dennoch ein Aber. Audi schafft es zwar, dem RS6 die Manieren eines britischen Adeligen anzuerziehen, opfert dafür allerdings Charakter. Es wirkt, als hätten die Ingenieure eine Liste mit Flausen bekommen, die sie nachträglich ins Auto programmieren sollten. Darauf könnten Dinge wie „Schaltruck bei Launch-Control“ oder „straffes Fahrgefühl“ gestanden haben. All dies ist vorhanden, aber nicht in der DNA des Autos verankert. Es fühlt sich wie nachträglicher Unsinn an.
Bedeutet: Audi hat das Auto zu sauber abgeschliffen, die Ecken zu fein entgratet. Faktisch fährt der RS6 besser als je zuvor. Für Purismus gibt es schließlich Sportwagen. Einen RS6 sollte man als Kombi bewerten. Hier macht er im Prinzip alles richtig. Und die synthetische Rebellion funktioniert dann doch irgendwie.
Viel Platz und Leistung kosten bei Audi viel Geld. In Zahlen: mindestens 117.500 Euro. Uff – einen normalen A6 gibt es für weniger als die Hälfte. Und die Aufpreisliste ist lang. Unser Testwagen bringt es mit toller (aber nicht voller) Ausstattung auf insgesamt 172.755 Euro. Noch mal uff! Aber das ist eben die Preisklasse der schnellsten deutschen Limousinen.
Die teuersten Posten: Vmax 305 samt Keramikbremse (12.500 Euro), der geschmackvoll gestaltete Innenraum in Grau-Blau (7.380 Euro), Soundanlage von B&O (6.070 Euro), Carbon außen (4.650 Euro), Laserlicht (2.550 Euro) und 22-Zöller (2.300 Euro). Dazu kommen Kleinigkeiten wie der Sportauspuff (1.400 Euro), das Sportfahrwerk (1.250 Euro) oder der Alcantara-Dachhimmel (2.050 Euro).
Auch eine Art Stärke: So viel Technik und Schnickschnack gab es im RS6 bisher nicht. Daran erkennt man, dass den meisten Kunden die Kanten der alten RS6 nicht fehlen werden. Und am großen Auftritt ändert das ja nichts.
Audi RS6 Avant Quattro: Technische Daten
Modell | Audi RS6 Avant (C8, 2019) |
---|---|
Motor | 4,0-Liter-V8-Benziner mit zwei Turboladern |
Leistung | 600 PS (441 kW) b. 6.000-6.250 U/min |
Drehmoment | 800 Nm b. 2.050-4.500 U/min |
Antrieb | Achtgang-Wandlerautomatik, Allrad |
0-100 km/h | 3,6 s |
Geschwindigkeit | 250 km/h (optional: 280 km/h; 305 km/h) |
Verbrauch | 12,4 l/100 km (WLTP) |
CO2-Ausstoß | 281 g/km |
Testverbrauch | 10,5 l/100 km |
Länge | 4.994 mm |
Breite | 1.951 mm |
Höhe | 1.460 mm |
Radstand | 2.929 mm |
Leergewicht | 2.150 kg |
Anhängelast | 2.100 kg |
Kofferraumvolumen | 565-1.680 l |
Basispreis Audi A6 Avant | 50.590 Euro |
Basispreis Audi RS6 Avant | 117.500 Euro |
Preis des Testwagens | 172.755 Euro |
Der Audi RS6 Avant in Bildern
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