Audi A4 G-Tron B9 (2018): Dauertest
Ein Nischenauto, das einen Platz im Volumen verdient hätte: Der erdgasgetriebene Audi A4 G-Tron bringt viele Vorteile mit – und ein paar Kompromisse.
Erdgas ist nicht der typische Antrieb für Audis Mittelklasse. Im Gegenteil. Der A4 fährt in erster Linie mit Diesel und häufig mit Benzin. Den A4 G-Tron gibt es nur ganz selten. Rund 950 solcher Autos verkaufte Audi in 2017 und 2018. In den vergangenen 6 Jahren setzte Audi insgesamt 18.500 Erdgas-Fahrzeuge ab.
Eigentlich hätte der A4 G-Tron eine breitere Bühne verdient. Er unterbietet vergleichbare Diesel in Kraftstoffkosten und CO2-Ausstoß, außerdem klingt er besser. Dafür geht er aber einige Kompromisse ein. Der größte: Erdgas gibt es deutschlandweit nur an rund 850 Tankstellen. Im europäischen Ausland sieht es zum Teil noch schlechter aus.
Bei einer Erdgas-Reichweite von rund 300 Kilometern kann das unangenehm werden. Sind die Tanks leer, geht die Suche los. Oft empfiehlt das Navi (automatisch) Zapfsäulen abseits der geplanten Route. Das stört Öko- und Zeitbilanz. Mit etwas Planung lässt sich aber viel Geld sparen.
Kofferraum, Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
Ein weiterer Kompromiss: Die Gasflaschen kosten Laderaum. Sie sitzen dort, wo bei einem normalen A4 die Reserveradmulde wäre, der Kofferraumboden rutscht etwas nach oben. Der A4 lädt als G-Tron nur noch 415 statt 505 Liter ein, Fächer unterhalb des Ladebodens gibt es nicht. Ärgerlich, für einen Urlaub zu dritt oder zu viert genügt der Platz dennoch.
Ab der Rücksitzbank gleicht der G-Tron jedem anderen A4 Avant. Vorn sitzt es es sich ausgezeichnet in Audis Mittelklasse. Kleine und große Menschen finden die richtige Position, egal ob sie sich aufrecht einrichten oder lieber lümmeln. Dahinter ist der A4 kein Riese, aber groß genug für eine entspannte Fahrt zu viert. Der fünfte Platz bleibt am besten frei, dann sitzen alle bequem.
Andere bieten mehr Platz auf gut 4,70 Metern Länge und etwas mehr als 2 Metern Breite (mit Spiegeln), allerdings nicht in der gleichen Klasse. Der Motor sitzt längs im A4, ein Layout, das große Antriebe ermöglicht. Audi bietet bis zu 6 Zylinder und 450 PS (im RS3) an. Fahrzeuge mit Quermotoren bieten Vorteile beim Platz, haben aber Nachteile bei Leistung und Fahrbarkeit.
Verglichen mit BMW 3er und Mercedes C-Klasse, beide ähnlich groß und direkte Konkurrenten, bietet der A4 im Innenraum vorn mehr Breite. Das freut vor allem die Knie großer Fahrer.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Zum Design des Innenraums gibt es in der Redaktion verschiedene Meinungen. Zur Qualität nicht: Audi verarbeitet sorgfältig und setzt tolle Materialien ein. Alle Berührungspunkte sind mit bezogen, beledert, verchromt, unterschäumt oder zumindest mit Softlack versehen. Alles fasst sich angenehm an und wirkt solide.
Hübsches Detail: Die Bedienelemente der Klimaautomatik hat einen Annäherungssensor. Die digitale Anzeige darüber beschränkt sich auf minimale Informationen, bis der Finger vor den Tasten schwebt. Dann zeigt das Display die Optionen an. Wie üblich legt Audi viel Wert auf knackige Druckpunkte und eine gute Ergonomie, beides ist gut gelungen.
Infotainment, Radio, Konnektivität
Den A4 stellte Audi zu einem ungünstigen Moment vor. Er bekam ein Infotainmentsystem, das an sich zwar neu war, aber dennoch bald abgelöst werden sollte. Deshalb wirkt das, was im A4 bis Modelljahr 2018 steckt, mittlerweile überholt. Es gibt noch keinen Touchscreen, digitale Instrumente sind für den G-Tron nicht verfügbar. Für ein Nischenmodell wollte Audi wohl nicht zwei Kombiinstrumente bauen.
Halb so wild: Der Bordcomputer zwischen den beiden Rundinstrumenten ist groß und gut ablesbar. Genauso wichtig: Die Bedienung per Dreh-Drück-Steller funktioniert tadellos und lenkt nur wenig vom Verkehr ab. Alternativ versteht der A4 gesprochene Sprache und erkennt Handschrift, die der Fahrer auf ein Touchpad kritzelt. Beides kostet extra.
Zwei Bildschirmgrößen sind im Angebot. Sieben Zoll Diagonale gibt es serienmäßig, 8,3 Zoll gegen Aufpreis in Verbindung mit der Navigation Plus. Sie umfasst alle digitalen Funktionen, die Audi im A4 anbietet, erhöht den Listenpreis aber um gut 2.800 Euro. Ein Navi ist sinnvoll im G-Tron: Erdgastankstellen sind gespeichert und mit wenigen Klicks abrufbar.
Zur Modellpflege im Jahr 2019 rüstet Audi den A4 auf den neuen Infotainment-Standard um. Der Dreh-Drück-Regler verschwindet dann von der Mittelkonsole, einen großen Touchscreen gibt es serienmäßig. Fehlende Extras, zum Beispiel ein Navi, können nachträglich hinzugebucht werden.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Serienmäßig steckt wenig Assistenz im A4. Ein Geschwindigkeitsbegrenzer ist immer an Bord, außerdem eine Notbremsfunktion bei drohendem Aufprall. Die wichtigsten Helfer fasst Audi in Pakete für Stadt (Parkhilfen) oder Tour (leichte Autonomie) zusammen, alternativ gibt es Vieles einzeln.
Auf längeren Strecken entlastet der Abstandstempomat. Er hält eine festgelegte Höchstgeschwindigkeit oder den Abstand zum Vordermann. Das sinnvollste Extra für lange Touren ist jedoch der Prädiktive Effizienzassistent. Er warnt, wenn sich eine Geschwindigkeitsbegrenzung oder eine enge Kurve nähert und empfiehlt, den Fuß vom Gas zu nehmen. Dadurch rollt der A4 häufig und spart viel Sprit. Mit aktiviertem Tempomat funktioniert das automatisch.
Ebenfalls empfehlenswert: Adaptive LED-Scheinwerfer leuchten die Straße sehr hell mit Fernlicht aus und blenden entgegenkommende Autos nicht. Das System arbeitet schnell und zuverlässig, dürfte aber gern etwas weiter nach vorn blicken. Auf langen Geraden erkennt es andere Autos erst dann, wenn sie bereits geblendet wurden.
Antrieb, Motor, Getriebe
Der Erdgasmotor in unserem Dauertester ist ein umgebauter Benziner. Der 2.0 TFSI bekam eine höhere Verdichtung und einige Verstärkungen im Zylinderkopf. Die Leistung gegenüber dem Spender sinkt um 20 auf 170 PS.
Das ist genug für den A4, auch mit rund 100 Kilogramm zusätzlicher Erdgas-Peripherie an Bord. Seine Fahrleistungen ähneln denen eines 150-PS-Diesels. Er ist also kein Sprinter, aber dennoch flott unterwegs. Zu schwach war er uns nie, auch dann nicht, wenn es mal schnell gehen sollte: 223 km/h Spitze sind in den meisten Fällen mehr als genug.
Der Motor startet stets auf Erdgas. Einen Umschalter gibt es nicht, das Steuergerät entscheidet sich automatisch für den Kraftstoff. Sind die Erdgastanks leer, schaltet es ruckelfrei auf Benzin um. Nach dem Tanken muss sich der G-Tron ordnen, er gibt erst nach ein paar Kilometern wieder Erdgas. Dann ist er günstiger als alle anderen A4: Wir verbrauchten im Schnitt rund 5 Kilogramm pro 100 Kilometer.
Die Tanks im Dauertester fassen 25 Liter Benzin und 19 Kilogramm Erdgas. Es kommt allerdings auf die Fahrweise an, wie leer der G-Tron die Gasflaschen fährt. Gegen Ende empfiehlt es sich, den Audi gleiten zu lassen. Fordert der Fahrer zu viel Leistung, schaltet die Software lieber früher auf Benzin um, damit in jedem Fall genug Kraftstoff bereit steht.
Unsere höchste Gas-Rechnung umfasste 19,97 Kilogramm. Insgesamt übertrafen wir die Werksangabe drei Mal. Mittlerweile gibt Audi ein kleineres Volumen von 17,3 Kilogramm an. An den Flaschen hat sich aber nichts geändert, das Fassungsvermögen unterscheidet sich nur auf dem Papier. Anders beim Benzintank: Der schrumpfte auf 7 Liter. So gilt das Auto als monovalent, also ausschließlich von Gas angetrieben. Audi umgeht damit den Einbau eines Rußpartikelfilters – auf Gas erfüllt der G-Tron die neuen Abgasnormen ohne weitere Hilfe.
Audi bietet den A4 G-Tron ausschließlich mit Frontantrieb und Doppelkupplungsgetriebe an. Letzteres hätten wir in manchen Situationen gern gegen eine manuelle Variante getauscht. Besonders bei unerwarteten Lastwechseln und im Kriechtempo konnte sich die Schaltbox nicht für einen Gang entscheiden. Das störte den sonst ausgezeichneten Eindruck des Antriebsstranges.
Fahrverhalten, Fahrwerk, Lenkung
Eine weitere Einschränkung: Im G-Tron gibt es nur das Standardfahrwerk. Etwas weniger Platz im Radhaus würde dem Avant gut stehen, technisch gibt es aber nichts auszusetzen. Auch ohne adaptive Dämpfer geht der A4 gut mit allen Straßenbelägen um. Kopfsteinpflaster federt er locker weg, auf der Autobahn rollt er angenehm leise ab.
Seine Auslegung als Fronttriebler sorgt dafür, dass man das Motormoment durchaus in der Lenkung spürt. Audi legt sie markentypisch direkt und leichtgängig aus, per Fahrmodusschalter kommt mehr Gegengewicht ins Volant. Angenehm, wenn es flotter ums Eck geht.
Ausstattung und Preis
Der A4 G-Tron konkurriert mit dem A4 TDI. Er kostet ähnlich viel, mit einem Basispreis von 42.600 Euro liegt er aktuell (Sommer 2019) genau zwischen dem schwächeren TDI (150 PS, 40.950 Euro) und dem stärkeren (190 PS, 44.000 Euro) bei gleicher Basisausstattung. Die Diesel haben eine höhere Reichweite, den größeren Kofferraum und mehr Optionen (Allrad, Sportfahrwerk), sind an der Tankstelle aber teurer.
Obwohl beim G-Tron einige Möglichkeiten fehlen: Die Aufpreisliste ist lang. Vor allem für optische Details verlangt Audi viel Geld. Assistenten, Navi und adaptive LED-Lampen sind ebenfalls teuer. Unser voll ausgestatteter Testwagen kostete bei Beginn der Testphase (Sommer 2018) 60.520 Euro.
Mittlerweile hat Audi das große Facelift des A4 vorgestellt. Der G-Tron steht zwar bereits in der Preisliste, ist aber noch nicht bestellbar. Er folgt erst im Laufe des Jahres. Eine Alternative: Der technisch identische, aber kleinere A5 G-Tron fährt ebenfalls mit Erdgas. Echte Konkurrenten haben beide Modelle nicht – dafür fehlt Audi in der Mittelklasse noch ein elektrifiziertes Modell.
Technische Daten – Audi A4 G-Tron Avant (B9)
- Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner, Erdgas-Unterstützung
- Getriebe: Siebengang-Doppelkupplung
- Leistung: 170 PS (125 kW) bei 4.450 – 6.000 U/min
- Drehmoment: 270 Nm bei 1.650 – 4.400 U/min
- Verbrauch laut NEFZ: 4,1 kg Erdgas/100 km; 5,9 l Benzin/100 km
- CO2: 113 g/km
- Verbrauch im Test: 5,0 kg/100 km
- 0 – 100 km/h: 8,4 s
- Höchstgeschwindigkeit: 223 km/h
- Kofferraumvolumen: 415 l
- Länge: 4.725 mm
- Breite: 1.842 m
- Höhe: 1.435 m
- Radstand: 2.820 m
- Kofferraum: 415 l
- Tankvolumen: 19 kg (CNG), 25 l (Benzin); ab Modelljahr 2019: 17,3 kg (CNG), 7 l (Benzin)
- Gewicht: 1.670 kg
- Grundpreis (2019): 42.600 Euro
- Preis Testwagen: 60.520 Euro
Audi A4 G-Tron im Dauertest
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