Alltagstest Seat Leon ST 1.4 TGI (2018)
Bei alternativen Antrieben denkt man meist an Strom. Eine weitere Option: Erdgas. Wir testen den Seat Leon ST 1.4 TGI. So fährt man mit CNG im Alltag.
Autos, die mit Erdgas fahren, kommen in der Zulassungsstatistik kaum vor. Dabei kann sich der alternative Kraftstoff CNG (Compressed Natural Gas) lohnen. Beispiel: Seat. Der kompakte Leon TGI kostet weniger als ein vergleichbarer Diesel und tankt günstiger.
Das Problem: Mit CNG kommt das Auto nicht besonders weit und Tankstellen sind dünn gesät. Nur gut 800 von insgesamt rund 14.000 Tanken bieten den günstigen Kraftstoff an. Reichweitenangst muss man trotzdem nicht haben. Der Motor kann Erdgas (CNG) oder Superbenzin verbrennen. Trotzdem wünschen wir uns einen Seat Leon TGI, der nur mit Erdgas fährt. Das würde fast alle Nachteile beseitigen. Wir sind den Leon TGI zwei Wochen als Kombi im Alltag gefahren.
Antrieb, Motor, Getriebe
Unter der Haube unseres Testwagens steckt noch ein 1,4-Liter-Turbobenziner. Der leistet 110 PS und kommt auf 200 Newtonmeter Drehmoment. Mittlerweile arbeitet ein Turbo mit 1,5 Litern Hubraum im TGI-Leon - mit 130 PS, weniger Gewicht, entsprechend besseren Fahrleistungen und auf 17,3 Kilo vergrößerten CNG-Tanks. Damit merzt Seat einige Kritikpunkte aus, die uns am CNG-Leon gestört haben.
Beim getesteten Leon 1.4 TGI ST passen etwa 15 Kilo Erdgas in die Flaschen. Dazu fasst der Benzintank 50 Liter, genau wie bei anderen Leons. Gesamtreichweite: mehr als 1.000 Kilometer, sagt Seat.
Doch darum geht es nicht. Nur wer stets mit Erdgas fährt, nutzt das Potenzial des umweltfreundlichen Kraftstoffs. Die 15 Kilo reichen uns im Alltag für mindestens 250 Kilometer. Dabei war es kalt und der Seat musste viel auf der Kurzstrecke im Stadtverkehr ran. Ungünstige Bedingungen also, doch 6 Kilogramm CNG pro 100 Kilometer können sich sehen lassen. Auf der Pendelstrecke von der Stadt ins Umland nahm der Leon nur 4,3 kg, zügig auf der Autobahn bewegt, sind etwa 5 kg machbar.
Die Gasflaschen reichen im Alltag also für bis zu 370 Kilometer. Nicht sehr viel, doch der Benzintank fällt mit 50 Litern groß aus. Zu groß. 10 Liter würden reichen und Platz für mehr Erdgas-Flaschen frei geben. Wir haben den Benzintank jedenfalls nur selten gebraucht. Nur bei großer Kälte lief der Motor einige Sekunden mit Benzin und nach dem Tanken für rund zwei Minuten. All das läuft automatisch ab, den Betriebszustand wählen kann der Fahrer nicht.
Ein reiner (monovalenter) Erdgas-Motor hätte Vorteile. Für den Gasbetrieb optimiert, ließe sich der Verbrauch weiter senken. Und die Leistung steigern. Das würde dem Leon gut stehen. Voll besetzt mit Passagieren und Gepäck wird er nämlich träge. Doch keine Sorge, üblicherweise passt die Leistung gut in den Alltag. Die recht starken Vibrationen bei laufendem Motor an der Ampel allerdings weniger.
Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
Klar, dass die Erdgas-Technik Platz und Gewicht kostet. Die Gasflaschen, weitere Leitungen und die Hardware für die Steuerung der beiden Kraftstoffquellen machen den Leon rund 150 Kilo schwerer als den gleich starken Benziner. Außerdem verkleinern die Gasflaschen den Kofferraum um 105 Liter. Statt 587 passen nur noch 482 Liter ins Heck. Die fehlenden Liter verstecken sich allerdings unter der Bodenplatte, dort wo sonst ein Ersatzrad Platz findet.
Auf der Rückbank und im Cockpit spürt man nichts davon. Fahrer, Beifahrer und Passagiere sitzen wie in jedem anderen Leon auch. Vorne bequem, tief und mit luftigem Raumgefühl. Auf der Rückbank reisen zwei Personen mit ausreichend Kopffreiheit und Platz für die Knie. Der Mittelplatz bietet sich nicht für längere Strecken an. Unser Testwagen kam mit Panoramadach. Das lässt viel Licht in den Innenraum, kostet aber Kopffreiheit.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Oberflächen, Materialien und Verarbeitung geben im Leon kaum Grund zum Meckern. Wo man hinfassen kann und hinguckt, verteilt Seat angenehm weichen Kunststoff. Alle Knöpfe und Schalter liegen gut erreichbar in Griffweite und fühlen sich solide an. Die optionale Ladeschale verhindert das Verrutschen des Smartphones, weil sie gummiert ist. Das klappt nicht überall zuverlässig.
Leider fehlt ein wenig Platz in den Türen. Sie sind zu klein für große Wasserflaschen. Außerdem drückt die obere Türverkleidung unangenehm gegen den Ellenbogen, wenn man ihn lässig darauf ablegen will. Nicht schlimm, eigentlich gehört er da ja nicht hin.
Infotainment, Radio, Konnektivität
Beim Infotainment bietet Seat im Leon den üblichen Klassenstandard. Inzwischen jedenfalls. Bis zum Sommer 2018 wurde der Leon in der Basis noch ohne Radio verkauft. Mittlerweile startet das Angebot bei “Reference”. Dort ist ein Infotainmentsystem mit 5-Zoll-Bildschirm serienmäßig. Dazu gibt es USB, Bluetooth und vier Lautsprecher. Unser TGI-Modell ist ausschließlich in der Style-Ausstattung zu haben. Hier kommen noch zwei Lautsprecher dazu, Aluräder, ein Tempomat und Details, die den Leon innen etwas hübscher machen.
Wer sein Smartphone über die Standards Apple Carplay oder Android Auto koppeln will, benötigt das „Media System Plus“. Das verfügt über ein 8-Zoll-Display, CD-Player und acht Lautsprecher und kostet 485 Euro. Dazu braucht man allerdings noch „Full Link“ (200 Euro). Ein eingebautes Navi bietet Seat für 915 Euro an.
Die Systeme im Leon stammen aus dem Konzernbaukasten von Volkswagen, doch Seat ändert viel an Optik und Bedienung. Anders als bei VW lässt sich das größte System über echte Knöpfe bedienen, für die Lautstärke gibt es einen Drehregler. Das Funktioniert besser als bei der großen Schwestermarke. Schade nur, dass der Annäherungssensor fehlt.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Alle modernen Assistenten packt Seat in insgesamt vier Aufpreis-Pakete. Das kleinste beinhaltet den Fernlicht- und den Spurhalteassistenten, Paket zwei ergänzt die Verkehrszeichenerkennung. Die fehlt in Paket III, doch dafür hält der Leon dann bis 210 km/h den Abstand zum Vordermann und hilft dabei in der Spur zu bleiben. Das größte Paket sattelt wiederum die Verkehrszeichenerkennung auf. Für die empfehlenswerten LED-Scheinwerfer verlangt Seat 1.220 Euro Aufpreis. Fernlicht, das den Gegenverkehr automatisch aus dem Lichtkegel hält, gibt es nicht.
Richtig schade ist, dass Seat bei den Gurtwarnern spart. Für Beifahrer und alle drei Sitze hinten kosten sie 130 Euro Aufpreis. Zwar gibt es einen Müdigkeitswarner dazu, aber eigentlich sollte das in einem Familienauto nicht vorkommen.
Fahrverhalten, Fahrwerk, Lenkung
Seat stimmt den Kombi des Leon etwas weicher ab als den Fünftürer. Ziemlich straff federt der ST trotzdem noch. Unangenehm wird er nicht, doch bei groben Kanten, Buckeln und Löchern wirkt die Dämpfung zuweilen etwas überfordert. Das zusätzliche Gewicht der CNG-Technik dürfte dafür mitverantwortlich sein.
Ansonsten fährt der Leon aber überraschend agil - für einen Kombi mit der moderaten Leistung. Die Lenkung legten die Techniker angenehm direkt und gefühlvoll aus. Man wieselt flink und wendig durch den Verkehr. Verschiedene Fahrprogramme für eine mal sportliche, mal komfortable Charakteristik braucht der Leon TGI unserer Ansicht nach nicht. Es gibt sie auch nur in den höheren Ausstattungslinien.
Ausstattung, Kosten und Preise
Die Neupreise für den Leon ST starten aktuell bei knapp 20.000 Euro (05/2019). Dann treibt ihn ein 1,0-Liter-Benziner mit 86 PS an. Als reiner Benziner kostet der Leon ST “Style” schon 23.350 Euro. Der Aufpreis für die neue TGI-Version mit 1,5-Liter-Motor liegt bei 1.500 Euro.
Dafür senkt der CNG-Betrieb die Spritkosten ganz erheblich. Aktuell (05/2019) kostet das Kilo etwa 1,15 Euro. Damit fährt der TGI günstiger als ein ähnlich motorisierter Diesel. Doch der kostet mehr. Seat verlangt gut 1.100 Euro mehr für den Leon 1.6 TDI mit 115 PS als für den Leon 1.5 TGI. Keine Frage, wer hier den Kostenvergleich gewinnt.
Fazit zum Seat Leon ST:
Ja, der Erdgas-Leon wiegt etwas mehr und kann nicht ganz so viel einladen. Ersteres hat Seat mit der überarbeiteten Version, dem 1.5 TGI schon deutlich verbessert. Über Letzteres lässt sich in vielen Fällen hinwegsehen. Auch die Reichweite mit Gas hat Seat inzwischen erhöht, bis zu 440 Kilometer sollen es sein. Doch ein Kompromiss bleibt der Leon mit Erdgas.
Kein schlechter allerdings. Effektiv reduziert sich dadurch der CO2-Ausstoß drastisch, für den Besitzer sinken die Betriebskosten. In der Gesamtbetrachtung spielt allerdings auch der sogenannte Erdgasschlupf eine Rolle. Gas, das beim Transport entweicht, ist schädlicher für das Klima als CO2. Dennoch pusht vor allem Seat Erdgas als Antriebsalternative. Erst im Mai 2019 wurden ein TGI-Modell des SUV Arona vorgestellt.
Technische Daten: Seat Leon 1.4 TGI ST
- Motor: 1,4-Liter-Turbobenziner, Erdgas-Betrieb
- Leistung: 110 PS (81 kW) bei 4.800 bis 6.000 U/min
- Drehmoment: 200 Nm bei 1.500 bis 3.500 U/min
- Getriebe: Siebengang-DSG
- 0 – 100 km/h: 11,0 s
- Höchstgeschwindigkeit: 194 km/h
- Verbrauch: 3,7 kg/100 km (NEFZ)
- Testverbrauch: 4,3 kg/100 km
- Abgasnorm: Euro 6b
- Kofferraum: 482 – 1.365 l
- Leergewicht (EU-Norm): 1.421 kg
- Länge: 4.549 mm
- Breite: 1.816 mm
- Höhe: 1.454 mm
- Radstand: 2.636 mm
- Tankinhalt: 50 l (Benzin), 15 kg (CNG)
- Basispreis Leon ST TGI: 24.850 Euro (Ausstattung „Style“)
- Preis Testwagens: ca. 37.000 Euro