Blitzer: Zu nah am Schild, zu unscharfes Foto - und wann ist der Führerschein weg?
Darf direkt hinterm Schild geblitzt werden? Entfällt die Strafe bei unscharfen Fotos? Sind Blitzer-Apps legal? 10 Blitzer-Mythen im Fakten-Check.
- Mythos 1: Blitzer sind „Radar-Fallen“
- Mythos 2: Blitzersäulen können in beide Fahrtrichtungen blitzen
- Mythos 3: Ist der Fahrer auf dem Bild nicht zu erkennen, muss er auch nicht zahlen
- Mythos 4: Blitzer-Apps und warnende Navis sind rechtlich erlaubt
- Mythos 5: Es gibt immer 10 Prozent Toleranzabzug bei der Geschwindigkeitsmessung
- Mythos 6: Entgegenkommende Fahrer dürfen vor einem Blitzer gewarnt werden
- Mythos 7: Die Strafe entfällt, wenn der Blitzer zu nah am Schild steht
- Mythos 8: Erst ab einer Übertretung von 40 km/h ist der Führerschein weg
- Mythos 9: Ein Fahrverbot gilt sofort und bedingungslos
- Mythos 10: Blitzer-Strafen verlängern die Probezeit
Etwa 4.600 blecherne Verkehrspolizisten stehen an den Rändern Deutschlands Straßen und passen auf, dass niemand zu schnell fährt. Fährt jemand zu schnell, wird er mit persönlichem Foto und Strafbescheid belohnt. Übrigens: In Italien kontrollieren fast 11.000 Blitzer das Straßennetz. Wer vom roten oder blauen Blitz getroffen wurde, ist sich oft sicher: Das Messgerät war falsch aufgestellt, die Person auf dem Foto könnte jeder sein oder mit Toleranzabzug wird die Sache schon gut gehen. Wir entlarven zehn verbreitete Mythen - über Blitzer-Apparate, die Strafen, die sie uns einbringen und die Tricks, die das abwenden sollen.
Mythos 1: Blitzer sind „Radar-Fallen“
In die „Radar-Falle“ tappt in Deutschland kaum ein Autofahrer. Denn nur die wenigsten Blitzer funktionieren mit dieser Technik. Bei der Messung mittels Radarstrahlen kommt es vor, dass mehrere Objekte gleichzeitig gemessen werden. Weil die Technik zu fehleranfällig ist, wurde sie bereits weitgehend abgelöst.
Im Wesentlichen stehen die sogenannten „Starenkästen“ an den Straßenrändern. In einem festgelegten Abstand sind piezoelektrische Drucksensoren in die Fahrbahn eingelassen. Fährt ein Auto darüber, werden sie ausgelöst und senden ein Signal. Aus dem Abstand der beiden eingegangenen Signale errechnet ein Computer die gefahrene Geschwindigkeit. Der Kasten am Straßenrand ist nur für das Foto zuständig.
Immer häufiger sieht man mittlerweile Blitzersäulen. Die silbergrauen Röhren mit den dunklen Ringen messen die Geschwindigkeit über ein Laser-Messsystem. Hierbei werden Lichtimpulse vom Messgerät ausgesandt, die vom Fahrzeug reflektiert werden.
Mythos 2: Blitzersäulen können in beide Fahrtrichtungen blitzen
Der Wirkungsbereich von Blitzersäulen lässt sich an der Anzahl der dunklen Ringe an der Säule ablesen. Besitzt die Säule vier Ringe, kann sie bis zu vier Fahrstreifen gleichzeitig kontrollieren und in beide Richtungen blitzen. Sind drei Ringe zu sehen, kontrolliert sie nur in einer Fahrtrichtung maximal zwei Fahrstreifen.
Hinter der dunkel-roten Abdeckung im oberen Bereich der Säule befindet sich die Beleuchtungseinheit mit den Blitzern. Die Messeinheiten samt Kameras befinden sich hinter in den Ringen darunter.
Mythos 3: Ist der Fahrer auf dem Bild nicht zu erkennen, muss er auch nicht zahlen
Im Grunde stimmt das. Theoretisch muss die Fotoqualität nicht einmal mangelhaft sein, eine große Sonnenbrille würde ihren Dienst ebenfalls tun. Ob der Fahrer auf dem Bild zu erkennen ist oder nicht, entscheidet bei einem Einspruch gegen Bußgeldbescheid allerdings der Richter. Dieser könnte auch Freunde oder Nachbarn zu dem Foto befragen. Ergibt sich daraus nichts, hat der Fahrer gute Chancen, ohne Bußgeld davonzukommen. Denn in Deutschland gibt es keine Halterhaftung. Der Gesetzgeber muss dem vermeintlichen Raser sein Fehlverhalten nachweisen.
Zudem ist der Fahrer nicht verpflichtet, mit seinen Angaben eine andere Person zu belasten. Eine Gesetzesübertretung ohne Nachspiel? Nicht ganz. Denn die Exekutive kann nach einer solchen Situation den Fahrer zum Führen eines Fahrtenbuchs verdonnern – damit beim nächsten Mal klar ist, wer am Steuer saß.
Mythos 4: Blitzer-Apps und warnende Navis sind rechtlich erlaubt
Das beste Restaurant der Stadt, das nächste Kino und wo auf dem Weg dorthin geblitzt wird. Diesen Service bieten uns Navigationsgeräte und Smartphone-Apps. Aber sind Programme, die vor Blitzern warnen, legal?
Das ist Auslegungssache. Laut Paragraph 23 der StVO ist es dem Autofahrer untersagt, ein technisches Gerät mitzuführen, das Verkehrsüberwachungen anzeigen oder stören soll. Nachträglich eingebaute Radar-Scanner und Störsender fallen damit weg. Sie sind definitiv illegal. Blitzer-Apps und Navis bewegen sich in einer Grauzone. Die Funktion des Geräts an sich ist nicht verboten. Was die Nutzung während der Fahrt angeht, vertreten Juristen unterschiedliche Meinungen.
Häufig wird ins Feld geführt, dass ein Smartphone laut Definition kein wie in Paragraph 23 beschriebenes „technisches Gerät das Verkehrsüberwachungen anzeigen soll“ darstellt. Dennoch sollte man davon ausgehen, dass eine solche Funktion bei einer Verkehrskontrolle zu Problemen führt, denn eine letztinstanzliche Gerichtsentscheidung wurde hierzu noch nicht getroffen. Im schlimmsten Fall drohen 75 Euro Bußgeld oder ein Punkt in Flensburg.
Und Achtung auf dem Weg in den Urlaub: Im Ausland wird die Sache oft strikter gehandhabt.
Mythos 5: Es gibt immer 10 Prozent Toleranzabzug bei der Geschwindigkeitsmessung
Dass es bei der gemessenen Geschwindigkeit einen Toleranzabzug gibt, ist zwar richtig. Doch es sind weit weniger als ein Zehntel. Oberhalb einer Geschwindigkeit von 100 km/h werden drei Prozent, unterhalb drei km/h abgezogen. Das gilt für fest montierte Blitzer. Mehr Toleranz gewährt die Polizei nur, wenn aus einem stehenden oder fahrenden Auto heraus gemessen wird.
Mythos 6: Entgegenkommende Fahrer dürfen vor einem Blitzer gewarnt werden
Fährt man an einer Geschwindigkeits- oder Verkehrskontrolle vorbei, hat es sich etabliert, den Gegenverkehr per Lichthupe zu warnen. Zur Lichthupe: Sie darf in genau zwei Situationen benutzt werden: Beim Überholen außerhalb geschlossener Ortschaften und wenn man sich, oder andere in Gefahr sieht. Die Gefahr vor einem leichteren Geldbeutel gehört nicht dazu. Andere Autofahrer vor einem Blitzer zu warnen ist aber gestattet, sofern man eben einen anderen Weg als die Lichthupe findet.
Mythos 7: Die Strafe entfällt, wenn der Blitzer zu nah am Schild steht
Zwei Wochen hat man Zeit, nach Erhalt eines Strafbescheids wegen einer Geschwindigkeitsübertretung Einspruch einzulegen. Ein häufig genannter Grund: Das Messgerät stand zu knapp hinter dem Verkehrsschild mit dem Tempolimit. In welchem Abstand hinter einem Tempo- oder Ortsschild geblitzt werden darf, entscheidet in Deutschland jedes Bundesland selbst. Meist liegt dieser Abstand zwischen 75 und 200 Metern. Mit vielen Ausnahmen. In Baustellen, im Bereich vor Schulen, Kindergärten, Fußgängerzonen oder für kurze Tempo-30-Zonen beispielsweise, entfällt diese Regelung.
Mit dem Zollstock nachzumessen, kann man sich sparen. Denn es handelt sich bei den Abstandswerten um Verwaltungsvorschriften, nicht um Gesetze. Und auf die korrekte Umsetzung von Verwaltungsvorschriften gibt es nur mit wenigen Ausnahmen einen einklagbaren Anspruch.
Mythos 8: Erst ab einer Übertretung von 40 km/h ist der Führerschein weg
War man außerorts 41 km/h schneller als das Geschwindigkeitslimit vorschreibt und wurde geblitzt, darf man sich auf ein einmonatiges Fahrverbot, zwei Punkte in Flensburg und eine Strafe von etwa 160 Euro einstellen. Innerorts zieht eine Übertretung von 31 km/h dieselben Konsequenzen nach sich.
Also maximal 30 km/h zu schnell und der Führerschein bleibt beim Besitzer? So leicht macht es der Gesetzgeber nicht. Wiederholungstäter werden bestraft. Wer innerhalb eines Jahres zwei Mal mit 26 km/h oder mehr über dem Tempolimit erwischt wurde, lässt das Auto ebenfalls für einen Monat stehen.
Eine ausführliche Übersicht für Geschwindigkeitsübertretungen findet Ihr hier.
Mythos 9: Ein Fahrverbot gilt sofort und bedingungslos
Am Montag liegt der gelbe Brief im Postkasten und am Dienstag wird das Fahrrad aus dem Keller geholt? So streng geht es beim Fahrverbot nicht zu. Das Fahrverbot (zwischen ein bis drei Monate) muss innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten ab Zustellung des Bescheids angetreten werden.
Zudem besteht die Möglichkeit, mittels eines einmaligen unbegründeten Einspruchs, das Fahrverbot um weitere zwei Monate aufzuschieben. Wer alle Möglichkeiten und Fristen ausreizt, kann so bis zu sechs Monate lang weiterfahren. Wird der Führerschein nicht nur für den Weg zur Arbeit, sondern auch für dessen Ausübung benötigt, besteht die Chance das Fahrverbot gänzlich zu umgehen. Geht der Antrag durch, erhöht sich zum Ausgleich jedoch das Bußgeld.
Mythos 10: Blitzer-Strafen verlängern die Probezeit
Führerschein-Neulinge müssen sich in einer zweijährigen Probezeit beweisen. Für sie gelten strengere Regeln. Werden sie missachtet, verlängert sich die Probezeit schnell mal um 24 Monate. Wer den Gasfuß nicht allzu schwer werden lässt, muss die Blitzer aber nicht fürchten. Eine Geschwindigkeitsübertretung, die mit einer Strafe von unter 40 Euro (Geschwindigkeitsübertretung bis zu 20 km/h) einhergeht, wirkt sich nicht auf die Länge der Führerschein-Probezeit aus.
Nur wer diese Grenze überschreitet, muss sich auf eine Probezeitverlängerung einstellen. Blitzt es ein zweites Mal bei mehr als 20 km/h über dem Erlaubten, dann folgen eine Verwarnung und das Angebot, ein verkehrspsychologisches Gespräch zu besuchen. Beim dritten Mal wird der Führerschein einkassiert.