Was bedeutet „Unfallfreiheit“?
Autoverkäufer werben häufig mit unfallfreien Fahrzeugen. Was das bedeutet und worauf Du beim Autokauf achten musst, erfährst Du hier.
Wann ist ein Auto unfallfrei?
Das Urteil 6 U 227/02 des Oberlandesgerichts Rostock vom 17.12.2003 lautet: „Als unfallfrei gilt ein Fahrzeug, wenn es bei einer Kollision keinen erheblichen Schaden erlitten hat“. Das bedeutet: Ein Auto kann durchaus in einen Unfall verwickelt gewesen sein – wenn es aber mit einem Bagatellschaden davongekommen ist, bleibt der unfallfreie Status weiterhin bestehen.
Das sind Bagatellschäden:
- geringfügige Kratzer im Lack
- kleine Schrammen an der Karosserie
- unter Umständen: Dellen im Blech
Umgekehrt wird ein Pkw zum Unfallwagen, sobald der angerichtete Schaden über den einer Bagatelle hinausgeht.
Was gilt als Bagatell- und was als Unfallschaden?
Während Bagatellschäden geringfügige Schäden am Lack oder Schönheitsfehler wie kleine Kratzer sind, zählen großflächige Lackschäden meistens zu den Unfallschäden.
Auch diese Schäden können Unfallschäden sein:
- Blechschäden
- Stoßstangen-Schäden
- Schäden an der Motorhaube
Muss eine Stoßstange ersetzt oder die Motorhaube ausgebessert werden, wird ein Wagen automatisch zum Unfallauto. Denn diese Schäden werden generell – auch bei geringem Reparaturbedarf – als Unfallschäden eingestuft. Der Grund: Diese Autoteile gelten als „fahrsicherheitsrelevant“, weshalb jede Beschädigung an ihnen automatisch als Unfall gewertet wird. Doch nicht immer ist der Unterschied so klar – denn im Endeffekt hängt die Entscheidung, ob ein Schaden wirklich ein Bagatell- oder bereits ein Unfallschaden ist, vom Einzelfall ab. Es gibt nämlich auch Gerichtsurteile, bei denen kleine Beschädigungen am Blech als Bagatellschäden anerkannt worden sind. Hierbei spielen in der Regel weitere Faktoren eine Rolle – wie die Art des Schadens, das Alter des Fahrzeugs, die Laufleistung, der Verkaufspreis und die Reparaturkosten.
Welche Rolle spielt die Unfallfreiheit beim Gebrauchtwagenkauf?
Die Unfallfreiheit eines Fahrzeugs ist beim Kauf oder Verkauf eines Gebrauchtwagens besonders wichtig. Der Grund: Jeder Unfallschaden mindert den Wert eines Autos, was sich wiederum auf den Kaufpreis auswirkt. Zudem gilt der Grundsatz, dass ein Unfallauto ein Unfallauto bleibt – unabhängig davon, ob der Schaden fachmännisch beseitigt wurde. Das liegt daran, dass aus juristischer Sicht der „Makel“, den ein Unfall verursacht unumkehrbar ist. Zudem können auch weitere Teile des Autos Schäden davontragen, die zunächst unsichtbar bleiben, aber im zeitlichen Verlauf deutlich werden. Dazu gehören gelockerte Schrauben oder eine dauerhaft verzogene Karosserie.
Deshalb dürfen nach Bundesgerichtshof-Urteil VII ZR 330/06 vom 10.10.2007 einem Gebrauchtwagenkäufer Vorschäden nicht verschwiegen werden – der Verkäufer ist dazu verpflichtet, den Käufer über sämtliche Vorschäden mit Ausnahme von kleinen Kratzern zu informieren. Fragt der Käufer explizit nach Kratzschäden oder sie sind für ihn wichtig, beispielsweise beim Verkauf eines teuren Oldtimers, müssen auch diese Schäden genannt werden. Werden sie von dem Verkäufer nicht genannt, aber vom Käufer entdeckt, hat dieser Anspruch auf Schadensersatz. Zudem kann dem Verkäufer eine Geld- oder Haftstrafe von bis zu fünf Jahren wegen arglistigen Verschweigens blühen.
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Was bedeutet die Formulierung „Unfallfrei laut Vorbesitzer“?
Formulierungen wie „Unfallfrei laut Vorbesitzer“ zählen zu den sogenannten Wissensmitteilungen, die man in Kaufverträgen von Gebrauchtwagen findet. „Unfallfrei laut Vorbesitzer“ bedeutet: Das Fahrzeug ist – soweit der Verkäufer weiß – unfallfrei. Die Angabe bezieht sich auf die Zeit, in der der Vorbesitzer Eigentümer des Wagens war. Ähnliche Formulierungen lauten „Unfallschaden unbekannt“ oder „Unfallschaden nicht bekannt“. Wichtig: Diese Angaben wurden nicht zwangsläufig überprüft. Nur weil die Formulierung im Kaufvertrag enthalten ist, bedeutet das also nicht automatisch, dass der Wagen tatsächlich unfallfrei ist.
Die Wissensmitteilung sichert den Verkäufer in doppelter Hinsicht ab. Zum einen muss er das Fahrzeug nicht kostspielig überprüfen. Zum anderen kommt sie zum Tragen, wenn nach einer gewissen Zeit ein Vorschaden vom Käufer entdeckt wird. Sollte ein Vorschaden feststellbar sein, wenn die Formulierung im Vertrag enthalten ist, haftet der Verkäufer nicht für den Schaden und kommt auch nicht für diesen auf. Anders sieht es aus, wenn der Vorbesitzer über einen Unfallschaden informiert war und diesen verschweigt. Das entspricht dem Straftatbestand einer arglistigen Täuschung und vorsätzlichen Falschangabe. Hierfür werden in der Regel Geldstrafen auferlegt. Bei Wiederholungstaten können aber auch bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug verhängt werden.
Unfallschaden verschwiegen: Hat der Käufer Gewährleistungsansprüche?
Grundsätzlich gilt: Hat der Verkäufer einen Unfallwagen verkauft, aber im Kaufvertrag Unfallfreiheit zugesichert, ist das Betrug. Der Verkäufer haftet dann uneingeschränkt für Unfallschäden, die er dem Käufer vor Kaufvertragsabschluss nicht mitgeteilt hat. Dies gilt auch, wenn er behauptet, dass ein Wagen unfallfrei sei, er sich aber nicht ganz sicher ist, ob das tatsächlich so ist.
Gebrauchtwagenhändler sind an die gesetzliche Pflicht der Gewährleistung gebunden. Die Gewährleistungspflicht besagt: Sachmängel wie ein nicht funktionierendes Autoradio oder ein schleifender Auspuff müssen innerhalb der ersten 24 Monate nach Kaufabschluss vom Verkäufer beseitigt werden. Die Ausnahme ist Verschleiß. Abgefahrene Bremsbeläge oder verstopfte Innenraumfilter sind keine Sachmängel – deshalb müssen Käufer sie selbst beheben. Weil der eigentliche Vertrag aber nicht erfüllt werden kann, da ein Unfallschaden einen unbehebbaren Sachmangel darstellt, sind diese Ersatzleistungen möglich:
- Kaufpreisminderung
- Rücktritt vom Kaufvertrag
- Schadenersatz
Im Falle eines verschwiegenen Unfallschadens ist der Käufer in der Beweispflicht. Das heißt: Fällt dem Käufer nach Vertragsabschluss eine Beschädigung auf, die auf einen Unfall schließen lässt – dazu zählen zum Beispiel verzogene Autotüren –, muss er nachweisen, dass der Schaden vor dem Kauf verursacht und zudem mutwillig verschwiegen wurde. Hier kommt der gesetzlich vorgegebene Gewährleistungsanspruch, also die Garantie auf ein beim Kauf fehlerfreies Produkt, ins Spiel. Durch den Anspruch kann sich der Käufer auf die Zusicherung von Unfallfreiheit oder arglistige Täuschung gemäß § 444 des BGB stützen.
Ein Privatverkauf schließt Gewährleistungsansprüche in der Regel vertraglich aus. Der Käufer kann darauf aber trotzdem Anspruch erheben. Der Grund: Die Zusicherung der Fahrzeugbeschaffenheit hat Vorrang. Damit es jedoch gar nicht so weit kommt, sollten Laien am besten einen Fachmann mit einem Auge für eventuelle Schäden und Reparaturen zum Autokauf mitnehmen. Wichtig: Der Wagen sollte nicht nur von außen inspiziert werden, sondern auch von innen. Eine Probefahrt und einen Gang auf die Hebebühne schlagen seriöse Verkäufer nicht aus und sichern den Käufer ab.