Der Golf wurde ab 1974 produziert, der Polo folgte ein Jahr später, ursprünglich als günstigere Alternative zum Audi 50. Und während der Golf seitdem die Kompaktwagen-Klasse dominiert, liefert sich der VW Polo mit Konkurrenten wie Ford Fiesta, Opel Corsa und Renault Clio einen jahrzehntelangen Wettstreit um die Vorherrschaft bei den Kleinwagen. Wobei – klein ist ein relativer Begriff. Mögen die ersten zwei, drei Generationen noch klassische Kleinwagen gewesen sein, die 5. Generation des VW Polo maß bereits knapp vier Meter. Und die 6., ab Ende 2017 auf dem Markt, überspringt erstmals diese Grenze. Da muss auf den Rücksitzen kein Mitfahrer mehr die Beine einziehen. Über 14 Millionen Mal hat sich der VW Polo zwischen 1975 und 2017 verkauft. Aus der ausschließlich dreitürigen Sparversion eines Autos mit Türverkleidungen aus Pappe und schlechten Crashtest-Beurteilungen ist ein ausgewachsener Volkswagen geworden, der in Ausstattung und Verarbeitung immer weiter an den großen Bruder Golf herangerückt ist. Vorteil: Ein Kleinwagen, der in vielen Details ganz groß ist. Nachteil: Ein Kleinwagen, der aber leider auch recht groß im Preis ist. Der neue Polo VI ist ab 12.975 Euro zu haben. Im günstigsten Fall.
Er war 1975 der kleinste Volkswagen, den die Wolfsburger Autobauer jemals vorgestellt haben – der VW Polo. Das Einstiegsmodell war 3,50 Meter lang, hatte drei Türen, ein Schrägheck und anfangs lediglich einen 40-PS-Motor im Angebot. Die Reifenbreite ab Werk betrug 13,5 Zentimeter, ein Schmalspur-VW. Die Ausstattung war selbst für damalige Verhältnisse spartanisch, eine Tankuhr beispielsweise suchte man im Polo I (1975-1981) vergeblich. Dafür lockte der Preis. In der Grundausstattung war der Polo ab 7550 D-Mark zu haben. Außerdem war er praktisch. Durch die große Heckklappe konnten bis zu 900 Liter zugeladen werden – unter anderem deshalb macht der VW Polo den legendären VW Käfer schnell vergessen. Ab 1977 wurde unter dem Namen VW Derby auch eine Stufenheckvariante angeboten.
Schrägheck am beliebtesten
Der dreitürige Polo II (1981-1994) wurde zu Beginn ausschließlich mit Steilheck ausgeliefert. In Verbindung mit dem großzügigen Kofferraum und der umklappbaren Rückbank hatte man damit einen Kleinwagen-Kombi, mit dem sich sogar Kühlschränke oder Waschmaschinen transportieren ließen. Erstmals war ein Polo mit Dieselmotor bestellbar. 1982 ergänzte Volkswagen die Modellpalette um den Stufenheck-Derby und ein sportliches Coupé. Die Schrägheckvariante wurde zur beliebtesten Karosserieform des VW Polo. 1984 begann die Polo-Produktion im spanischen Seat-Werk Pamplona, wo das Modell bis heute gefertigt wird. 13 Jahre lief der Polo II vom Band, länger als jedes andere Polo-Modell. Am Ende waren es rund 1,7 Millionen Einheiten. In Erinnerung blieb das Sondermodell Fox, eine Spar-Version des Polo, die statt auf Komfort und Ausstattung auf bunte Farben und eine junge, preisbewusste Zielgruppe setzte.
Gleichteile-Strategie und GTI
Erstmals als Fünftürer und Kombi warb der komplett überarbeitete Polo III (1994-2001) um Aufmerksamkeit und Kunden. Die dritte Generation des Kleinwagens war die erste, die auf Wunsch auch mit Automatikgetriebe ausgestattet werden konnte. Unter der Karosserie teilte sich der Polo III zahlreiche Komponenten mit dem Golf III und dem Seat Ibiza II – ein Effekt der neuen Gleichteilstrategie bei Volkswagen. Die Stummelheckvariante Polo Classic präsentierte sich optisch und technisch als Zwilling des Seat Cordoba. Erstmals stattete VW seinen Kleinsten 1998 sogar mit einem 120-PS-Motor aus – der Polo GTI war geboren, wenn auch lediglich in limitierter Auflage von 3000 Einheiten. Zwei Jahre zuvor, 1996, brachte das Sondermodell Polo Harlekin Farbe auf die Straßen, er war mit seiner grellen Vierfarb-Optik unbestritten der Bunteste unter den Kleinwagen seiner Zeit. Allerdings: Im Euro-NCAP-Crashtest 1997 kam der Polo III lediglich auf drei von fünf möglichen Sternen, das nachgerüstete Modell im Jahr 2000 brachte es auf immerhin vier Sterne.
Maßgeschneiderte Angebote
Wachstumsschub bei der vierten Generation: Der Polo IV (2001-2009) legte gegenüber seinem Vorgänger um mehr als 15 Zentimeter zu, und der Radstand wuchs um fünf Zentimeter. Auf einem Volkswagen-Familienfoto stände der Polo IV direkt neben dem Seat Ibiza, dem Seat Cordoba und den Škoda Fabia, die alle dieselbe Technik-DNA teilten. Wie teilweise schon die Vorgänger, wurde auch der Polo IV in der Modellvielfalt sehr ausdifferenziert. Zahlreiche Modellvarianten und Sondermodelle entstanden im Laufe der Zeit: Cross-Polo, GTI und Polo BlueMotion, GT Rocket und Sondermodelle für Fans von FC Schalke 04 und Werder Bremen – Volkswagen ließ keine Chance aus, in Kleinstsegmenten weitere Käufer für den Polo zu gewinnen.
Lücke zwischen Polo und Golf wird kleiner
Die Modellauswahl blieb auch beim Polo V (2009-2017) überaus groß. Die beiden Karosserievarianten auf Basis des Audi A1 und des Seat Ibiza waren über den achtjährigen Produktionszeitraum mit mehr als einem Dutzend Motoren unterschiedlicher Leistungsstufen zwischen 60 PS und 220 PS sowie in diversen Ausstattungen im Angebot. Für Käufer von Gebrauchten ist das Herausforderung und Chance zugleich. Nach dem Facelift 2014 erfüllten alle verbauten Motoren die Euro-6-Abgasnorm. Die aktiven und passiven Sicherheitsmerkmale wurden beim Polo V allgemein als gut bewertetet, kritisiert wurde jedoch das Fehlen von Kopfairbags für die Passagiere im Fond.
Ende 2017 kommt die 6. Polo-Generation zu den Händlern. Der Polo VI basiert auf der kleinsten Version des Modularen Querbaukastens von VW und misst in der Länge erstmals in der Modellgeschichte über vier Meter, das Kofferraumvolumen vergrößert sich gegenüber dem Vorgänger um rund ein Viertel. Der Polo ist den Kinderschuhen des Kleinwagensegments damit endgültig entwachsen, erkennbar auch daran, dass es das Modell von nun an ausschließlich als Fünftürer gibt. Das Streben nach einem Platz in der Kompaktklasse, in der der große Bruder Golf das Sagen hat, ist in allen Bereichen unverkennbar. So greift der Polo VI serienmäßig auf Assistenzsysteme wie „Front Assist“ mit Notbremsfunktion und Fußgängererkennung zurück, die anfangs dem Golf und Passat vorhalten schienen. Die Lücke zwischen dem Polo und dem Golf ist erneut ein Stück kleiner geworden – eine gute Nachricht für Autokunden, die ebenso qualitäts- wie preisbewusst sind.