Die Fahrleistungen des kleinen Mittelmotorsportlers liegen auf einem Niveau, das selbst Fans des 911ers nachdenklich werden lassen. Was viele Menschen damals nicht wissen: Die Zukunft von Porsche hängt am seidenen Faden. Der Absatz des 911ers läuft schleppend und die Frontmotor-Autos waren trotz der technischen Raffinesse schwere Verkaufsflopps, die tiefrote Zahlen geschrieben habe. Porsche besinnt sich nach der Krise Anfang der 1990er Jahre auf seine Tugenden zurück und baut etwas, da so bisher noch nicht auf den neuzeitlichen Straßen des Deutschlands nach der Wende unterwegs war: Ein zweisitziges Spyder-Cabrio mit Boxermotor in mittlerer Einbaulage. Das Fahrverhalten ist von Beginn an phänomenal. Fahrwerk, Lenkung und die leichte Karosserie bilden eine perfekte Einheit. Der Fahrer kann das Auto nach Belieben in Kurven setzen, den Motor über das gesamte Drehzahlband trieben und dabei einem Klang lauschen, der einfach typisch für Porsche ist. Dabei kommt durch die präzise Lenkung ein Fahrgefühl auf, das nur schwer zu beschrieben ist. Ja, man könnte jetzt über Messer schreiben, die metaphorisch für die Präzision der Lenkung stehen, wie sie durch die Kurve schneidet. Und ja, ein Vergleich mit dem Fahren wie auf Schienen würde passen. Aber sie geben nicht den Bruchteil dessen wieder, wozu ein geübter Fahrer im Boxster fähig ist. Dennoch bleibt der kleine Porsche ein Auto, das man jeden Tag fahren kann. Die klassische Tour zum Brötchenholen am Sonntag macht er genauso klaglos mit wie den beherzten Ritt über die Landstraße. Es ist auch von Berichten zu lesen, die mit dem Boxster über den Brenner nach Italien in den Urlaub fahren - über den Pass versteht sich, nicht durch den Tunnel.
Maskulin oder feminin? Alles eine Frage des Blickwinkels...
Den Porsche Boxster gibt es jetzt in der dritten Generation. Angefangen hat seine Geschichte 1996, als Porsche mitten in einer Sinn- und Absatzkrise steckt. Der Entschluss, den Boxster als goldenen Mittelweg aus Sportlichkeit und (mehr) Alltagstauglichkeit zu wählen, erweist sich als goldrichtig. Dass der Typ 986 schon viele Komponenten des später erscheinenden 911 enthält, beklagen schon damals viele Kunden. Die Scheinwerfer würden wie zerlaufene Spiegeleier aussehen und seien sowieso viel zu groß. Außerdem fehlt die klare Abgrenzung zum wesentlich teureren Spitzenmodell aus Zuffenhausen. Als der erste wassergekühlte 911 schließlich kurz nach dem Boxster erscheint, geht ein Aufschrei durch die Fangemeinde. Wie soll man jetzt noch erkennen, was welches Modell ist? Wo ist der Charakter des 911 geblieben. Als Schuldiger für die Verwässerung der Marke wird der Boxster ausgemacht. Doch ist es letztlich genau er, der Porsche wieder in die schwarzen Zahlen führt. Das Konzept kommt bei den Kunden so gut an, dass er weder dem 911 das Wasser abgräbt noch anderen in Deutschland erhältlichen Roadstern zu nahe kommt. Der Mazda MX-5 spielt in einer anderen Preisliga und an der Audi TT fährt bis dato nur als Coupé auf dem Reißbrett herum. Mit dieser Einmaligkeit etabliert sich der Boxster am Markt und erfährt 2004 nach über acht Jahren Bauzeit den Wechsel zur nächsten Generation namens 987. Porsche hört seinen Kunden zu und lässt die Spiegeleier-Scheinwerfer verschwinden. Die Tendenz zur heutigen Formensprache scheint gefunden. Nur ein Jahr später lanciert Porsche den Cayman, den geschlossenen Bruder des Boxsters. Zahlreiche Sondermodelle zu diversen Jubiläen (z.B.: RS 60 Spyder) komplettieren das Angebot und machen den Boxster langsam aber sicher immer maskuliner. Dazu tragen auch die Überarbeitungen im Motorenbereich bei. Wieder acht Jahre später entwächst der Porsche Boxster endgültig seiner Kinderstube. Dass bei Porsche die Zeit des Experimentierens vorbei ist, zeigt sich schon in der wieder nachgeschärften Formensprache des Typs 981. Nur noch entfernt erinnert der kleine Spaßmacher an den 911 und hat nun auch am Heck einen eigenständigen Abschluss. Der ausfahrbare Spoiler läuft detailverliebt in die Rückleuchten, die drei dimensional ausgeformt sind. Diese Designidee markiert den bisherigen Höhepunkt in der Geschichte des Boxsters.
Drei Generationen und immer noch nicht müde. So sieht ein gestraffter Innenraum aus
Zwei Sitze, ein Lenkrad, Schalthebel, Gaspedal und Bremse - mehr braucht es nicht, um glücklich zu sein. Genau diese Zutaten bringt der Boxster mit. Sein Cockpit ist zwar über die Jahre und mit den Modellwechseln immer fülliger geworden. Dennoch bleibt der Grundcharakter erhalten und setzt sich konsequent durch alle Generationen fort. Das aktuelle Modell zitiert gekonnt das sportliche Fegefeuer 918 Spyder und lässt auch Elemente von 911 und Panamera einfließen. Das optionale Sport-Chronopaket thront auf dem Cockpit und lässt den Fahrer von schnellen Rundenzeiten vom Wochenende träumen, wenn er auf dem Weg zur Arbeit ist. Gleichzeitig packen die Sportsitze vehement zu und bieten exzellenten Seitenhalt. Mit der zweiten Generation können nun auch Großgewachsene in den Genuss des kleinen Porsches kommen. Die Sitze lassen mehr Bewegungsfreiheit zu und können besser an die jeweiligen Fahrerstatuten angepasst werden. Steigt man in einen Porsche, fällt zu allererst die typische Position des Zündschlosses auf. Dass der Schlüssel links vom Lenkrad eingesteckt werden muss, rührt noch von den alt ehrwürdigen Starts in LeMans her. Hier hatten die Porsche Werksfahrer den entscheidenden Sekundenbruchteil Vorsprung, weil sie nicht erst wie alle anderen den Schlüssel um das Lenkrad beim Einsteigen herumführen mussten. Also wird auch der Boxster mit der linken Hand zum Leben erweckt. Die rechte Hand greift zum Schaltknauf und drückt entweder den ersten Gang in die Gasse oder wählt die Fahrstufe "D" im Porsche Direktschaltgetriebe (PDK) vor. Das Auge erfreut sich an klar gezeichneten Rundinstrumenten und die Hände sich über haptisch hochwertige Materialien, die dazu noch porschetypisch erstklassig verarbeitet sind. Von diesem Platz aus macht es richtig Spaß, den Boxster über kurvige Landstraßen zu treiben.
Ob es Porsches Absicht ist, dass man dem 911 so am Heck kleben kann?
Prinzipiell gibt sich die Motorenauswahl im Porsche Boxster sehr übersichtlich. Ungewöhnlich für ein Auto der Neuzeit: man kann nur aus drei Varianten ein und desselben Grundmotors wählen. Im Boxster kommt er mit 2.7 Liter Hubraum aus und produziert erfrischen frei saugende 265 PS bei 6700 Umdrehungen in der Minute. Für den Boxster S und den GTS wird wie bei Porsche traditionell üblich der Hubraum erweitert. Mit 3,5 Litern stehen dem Fahrer nun 315 PS bzw. 330 PS zur Verfügung. Alle drei Motoren verzichten wohltuenderweise auf eine künstliche Aufladung und erzeugen Leistung und Drehmoment vor allem über Drehzahlen. Der Fahrer wird wegen des betörenden Klanges geradezu dazu animiert, die 6-Zylinder immer wieder ins optimale Drehzahlband zu bringen und ein entsprechend hohes Umdrehungsniveau zu halten. Das macht viel Spaß und ist auch auf der Rennstrecke ein absolut befriedigendes Leistungsbild. Trotz der überaus prächtigen Leistungsentfaltung, geben sich die Porsche Boxster Motoren sehr zurückhaltend in Sachen Spritverbrauch. Wer seinen Gasfuß zügelt, kann den Schnitt unter die 9 Liter Marke bringen. Das ist mehr als beeindruckend, wenn man bedenkt, welches Leistungspotenzial in den Maschinen steckt. Gekoppelt sind die "Flat-Six" entweder an ein sauber schaltbares 6-Gang Getriebe oder an Porsches geniales 7-Gang PDK. Dieses Doppelkupplungsgetriebe erlaubt ein Schalten ohne Zugkraftunterbrechung und spart dank Start-Stopp-Automatik und einer langen Übersetzung einen knappen Liter Benzin auf 100 Kilometer Distanz. Wenn man allerdings an den Schaltwippen zieht und die Gänge wie beim GT3-Rennwagen durchschaltet, denkt man weniger an den Spritverbrauch als an die nächste Kurve.
Facelift und neue Einordnung als Porsche 718 Boxster
Über das erste Facelift des seit 2013 angebotenen Roadsters im Jahr 2016, wurde der Sportwagen mit neuer Nomenklatur versehen und rollt fortan als Porsche 718 Boxster aus den Fertigungshallen. Neben einer kompletten Überarbeitung von Karroserie, Leuchteinheiten und des Innenraums ist das neuen Motorenprogramm die innovativste Änderung am Sportwagen. Ein neuer Vierzylinderboxer mit 2,0 Liter Hubraum treibt den Sportwagen nun an, der den Sechsender ablöst. Die Leistungsbreite des neuen Porsche 718 Boxster liegt nun zwischen 300 und 340 PS.
Der Porsche Boxster ist ein wohltuend sympathischer Sportwagen ohne Starallüren. Während der 911 bisweilen unnahbar wirkt, gibt sich der Boxster volksnäher und unkomplizierter. Mit der tollen Fahrbarkeit der Motoren und des äußerst direkten Fahrwerks lassen sich Freudentränen in die Augen des Fahrers treiben. Doch der Porsche Boxster ist keine reine Spaßmaschine. Er schafft es auf eine elegante Weise, Alltagstauglichkeit mit genüsslichem Cruisen und bei Bedarf einer sportlichen Runde auf der Rundstrecke zu verbinden. Wer diese Argumente aufzählt und sich ihn einmal angesehen hat, kommt nicht umhin zusagen, dass dort ein gelungenes Auto vor ihm steht. BMW und Nissan bieten mit dem M235i bzw. mit dem 370Z Cabrio ein ähnliches Frischluftgefühl. Die Fahrbarkeit der beiden reicht aber nicht an die des Porsche Boxster heran, der seinem großen Bruder 911 einfach nicht aus den Heckleuchten weichen will.