Bentley kommt beim Geländewagen Bentayga kaum mit der Produktion nach, Lamborghini bereitet das SUV Urus vor und sogar Rolls-Royce entwickelt unter dem Codenamen Cullinan einen luxuriösen Lifestyle-Laster fürs Grobe – selbst die absolute Oberklasse flirtet also mit dem Alltag und will ihren Kundenkreis mit praktischen Fahrzeugen erweitern. Diese Idee hat auch Ferrari beschäftigt. Doch weil ein Geländewagen so gar nicht zum Image der Italiener passen wollte, haben sie 2011 denn FF lanciert. Der war zwar flach und schnittig wie alle anderen Ferrari. Doch als erster Viersitzer mit Kombiheck und Allradantrieb wurde er zum bislang familienfreundlichsten und alltagstauglichsten Modell in der Markengeschichte.
Neuer Name, alte Mission
Mit der großen Modellpflege im Jahr 2016 hat Ferrari den FF zum GTC4 Lusso umbenannt, die Motorenpalette nach unten erweitert, den Allradantrieb für das neue Basismodell gestrichen und die Zielgruppe so noch einmal vergrößert, an der Positionierung allerdings nichts geändert. Seitdem gibt es den Viersitzer mit zwei Motoren, die dem Begriff vom Shooting Brake mit ihren spektakulären Fahrleistungen mehr als gerecht werden. Schon der V8-Turbo leistet bei 3,9 Litern Hubraum 610 PS, beschleunigt in 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreicht mehr als 320 km/h. Und mit dem 6,3 Liter großen V12-Motor, der statt der Hinterachse alle vier Räder antreibt, stehen 690 PS Leistung, ein Sprintwert von 3,4 Sekunden und ein Spitzentempo von 335 km/h im Datenblatt.
Das Vergnügen hat bei Ferrari allerdings auch seinen Preis: Beim Händler, weil der für den GTC4 Lusso T mit V8-Motor 226.246 Euro und für den GTC4 Lusso mit V12 sogar 261.883 Euro verlangt. An der Tankstelle, weil schon der Normverbrauch bei 11,6 und 15,0 Litern liegt. Und in der Werkstatt sowie bei der Versicherung, weil die Unterhaltskosten wie bei jedem Supersportwagen überdurchschnittlich hoch sind. Allerdings kann man sich bei einem Ferrari mit einer interessanten Wertentwicklungskurve trösten. Zwar fällt der Restwert in den ersten Jahren steil ab, zieht danach aber umso stärker wieder an und übersteigt bei vielen Modellen nach einer gewissen Zeit sogar den Neupreis
Lack und Leder satt
Die Ausstattung des GTC4 Lusso zeugt vom Spagat, den Ferrari mit diesem Modell stehen möchte. So gibt sich der Wagen auf der einen Seite mit Allradlenkung, variablen Dämpfern und einer Elektronik zum kontrollierten Driften betont sportlich. Auf der anderen Seite schwelgt man im Innenraum in Lack und Leder und genießt ein Infotainment-System, das mancher Luxuslimousine die Schau stiehlt. So bauen die Italiener nicht nur einen großen Touchscreen in die Mittelkonsole, sondern bieten als erster Hersteller auch einen zweiten Bildschirm für den Beifahrer an.
Die Sicherheitsausstattung ist dagegen eher dürftig und umfasst nur vier Airbags sowie einen Tempomaten, der stur die Geschwindigkeit hält und nicht auch den Abstand zum Vordermann regelt – von anderen Assistenzsystemen ganz zu schweigen.
Fazit zum Ferrari GTC4 Lusso
Leidenschaftlich gezeichnet und luxuriös ausgestattet, bärenstark und rasend schnell sowie mit Rückbank, Kofferraum und Allradantrieb das breiteste Einsatzspektrum in der gesamten Ferrari-Palette: Wo man die Sportwagen aus Maranello sonst nur als schnelle Spielzeuge für gewisse Stunden kennt, ist der GTC4 Lusso tatsächlich ein Auto für alle Tage. Oder streng genommen sogar zwei. Denn als einziger Ferrari spielt das Coupé mit großer Klappe eine Doppelrolle und ist Supersportwagen und Familienkutsche in einem. Allerdings muss man dafür so tief in die Tasche greifen, dass es auch für zwei einzelne Autos reichen würde: Eines, das noch sportlicher ist, und eines mit noch mehr Familiensinn – nur dann eben nicht mehr von Ferrari.